BGH, Urteil vom 02.02.2016, Az. X ZR 8/14
§ 4 S. 1 PatG
Eine Zusammenfassung zu dieser Entscheidung finden Sie hier (BGH – Erfinderische Tätigkeit und nach dem Stand der Technik naheliegend). Lesen Sie unten den Volltext des Urteils.
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Bundesgerichtshof
Urteil
Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 02.02.2016 durch … für Recht erkannt:
Die Berufung gegen das am 30.01.2014 an Verkündungs Statt zugestellte Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Tatbestand
Der Beklagte ist Inhaber des deutschen Patents 38 35 367, das unter Inanspruchnahme der Priorität einer inländischen Erstanmeldung vom 14. März 1988 am 18. Oktober 1988 angemeldet wurde und durch Zeitablauf erloschen ist (nachfolgend: Streitpatent). Das Patentgericht hat das Streitpatent im Einspruchsverfahren durch Beschluss vom 28. Mai 2009 beschränkt aufrechterhalten. Patentanspruch 1 hat danach folgenden Wortlaut:
„Mähwerk,
1. das mit einem Schlepper verbunden werden kann und
2. mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks ausgestattet ist, die
2.1 Lenker aufweist
2.2 so ausgebildet ist, dass die Schwenkachse des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Momentanpol verläuft,
2.3 Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zulässt, und wobei
3. mindestens einer der Lenker sich in geneigter Lage von vorn oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin erstreckt und
4. in Betriebsstellung der Momentanpol beziehungsweise die Schwenkachse derart ist, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse ausweicht.“
Die Patentansprüche 2 bis 36 sind unmittelbar oder mittelbar auf Patentanspruch 1 rückbezogen.
Die von dem Beklagten aus dem Streitpatent in Anspruch genommene Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 5 sowie 24, 31 und 34 bis 36, soweit diese auf die jeweils vorgenannten Patenansprüche rückbezogen sind, sei gegenüber dem Inhalt der ursprünglichen Anmeldung unzulässig erweitert und nicht patentfähig. Der Beklagte hat das Streitpatent im Hauptantrag in der geltenden Fassung sowie mit vier Hilfsanträgen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent im angegriffenen Umfang für nichtig erklärt. Dagegen richtet sich die Berufung des Beklagten, mit der er das Streitpatent weiterhin im Umfang der erstinstanzlich gestellten Haupt- und Hilfsanträge verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das Streitpatent betrifft ein Mähwerk, das mit einem Schlepper verbunden werden kann. In der Beschreibung wird ausgeführt, dass Ausführungen bekannt gewesen seien, bei denen die Mähwerke an einem Schlepper angebaut oder angehängt seien. Erfolge der Arbeitseinsatz auf unebenem Boden, würden die Mähwerke zu Nickbewegungen gezwungen, was eine ungleiche Schnitthöhe zur Folge habe. Selbst wenn die Mähwerke um eine Querachse pendelbar am Schlepper angebaut seien, könne ein relativ hoher Anlenkpunkt am Schlepper dazu führen, dass sich das Mähwerk im Betrieb schrägstelle und die Schneidwerkzeuge vorne in den Boden eindrängen. Dies habe eine unbefriedigende Arbeitsqualität und Beschädigungen an der Grasnarbe und an der Maschine zur Folge (Abs. 1 bis 3 der Beschreibung [C9-Schrift]).
Dem Streitpatent liegt die Aufgabe zugrunde, diese Nachteile zu vermeiden und das Schneidwerk unabhängig von Bewegungen des Schleppers dem Bodenverlauf anzupassen, so dass auch plötzlich auftretende Hindernisse leicht überwunden werden können (BGH, Beschluss vom 8. Juli 2008 – X ZB 13/06, GRUR 2008, 887 Rn. 6 – Momentanpol II).
Dies soll nach Patentanspruch 1 durch folgendes Mähwerk erreicht werden (Änderungen des Patentanspruchs 1 gegenüber der Fassung des Hauptantrags sind in der Fassung des Hilfsantrags I durch Fettdruck, in der Fassung des Hilfsantrags II durch Kursivdruck, in der Fassung des Hilfsantrags III durch Kursivdruck sowie einfaches Unterstreichen und gegenüber der Fassung des Hilfsantrags IV durch Fettdruck und doppeltes Unterstreichen gekennzeichnet.):
1. Das Anbau-Mähwerk
1.1 kann mit einem Schlepper verbunden werden,
1.2. weist einen Anbaubock zum Anschluss an das Dreipunktgestänge des Schleppers auf und
1.3. ist mit einer Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung seines Schneidwerks ausgestattet.
2. Die Ausgleichsvorrichtung
2.1 lässt Schwenkbewegungen um mindestens eine Schwenkachse zu,
2.2 weist Lenker auf, von denen sich mindestens einer in geneigter Lage von vorne oben nach hinten unten zum Schneidwerk hin erstreckt,
2.3 ist so ausgebildet, dass die Schwenkachse durch einen Momentanpol verläuft, der
2.3.1 unterhalb der Arbeitsebene angeordnet ist und
2.3.2 in der Betriebsstellung bewirkt, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse ausweicht,
2.4 ist als Gelenkviereck ausgebildet, bei dem
2.4.1 ein Teil des Anbaubocks die Basis, ein Teil des Mähwerkrahmens die Schwinge und Koppelglieder die Lenker bilden,
2.4.2 der Schnittpunkt der verlängert gedachten Koppelglieder auf der Schwenkachse liegt und
2.4.3 die Basis größer ist als die Schwinge.
Für die Erstreckung mindestens eines der Lenker in geneigter Lage von vorne oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks (Merkmal 2.2) ist es, wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht erforderlich, dass dessen axiale Verlängerung das Schneidwerk schneidet, sondern ausreichend, wenn diese dem Schneidwerk näherkommt. Zudem ist dem Patentgericht darin beizutreten, dass der Momentanpol aus Sicht des Fachmanns – eines Ingenieurs des allgemeinen Maschinenbaus mit mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung und Konstruktion von Aufhängungen für landwirtschaftliche Geräte – gemäß Merkmal 2.3 die (momentane) Lage der Schwenkachse quer zur Fahrtrichtung definiert und durch die Verlängerung der Lenker (Koppelglieder) als deren Schnittpunkt bestimmt wird (vgl. Beschreibung, Abs. 31). Durch die Lage dieses Momentanpols in der Betriebsstellung unterhalb der – durch die Schnittebene (Messerebene) bestimmten – Arbeitsebene des Mähers (Merkmal 2.3.1) wird erreicht, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse ausweicht (Merkmal 2.3.2) und auf diese Weise ungleichen Schnitthöhen entgegenwirkt.
II.
Das Patentgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags sei gegenüber der japanischen Offenlegungsschrift Sho 62-69921 (D1, deutsche Übersetzung: D1a) nicht neu. Die D1 offenbare einen Aufsitzmäher, bei dem der Mäher über eine der Bodenanpassung des Schneidwerks dienende Aufhängungs- und Ausgleichsvorrichtung an dem Rahmen angeordnet sei. Dafür seien Lenker jeweils beweglich/drehbar mit den Anschlusspunkten an dem Rahmen und dem Messergehäuse befestigt. In der Betriebsstellung erstreckten sich die beiden vorderen Lenker in geneigter Lage von vorn oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin. Die Lenkeranordnung sei so ausgebildet, dass sich die Verlängerungen der vorderen und hinteren Lenker unterhalb der Arbeitsebene in der Projektion „schneiden“. Der Schnittpunkt markiere die Querschwenkachse der Mähvorrichtung, die einen Momentanpol bilde, der derart ausgebildet sei, dass sich beim Auftreffen auf ein Hindernis die Vorderseite des Schneidwerks nach oben und hinten bewege.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags werde durch die US-amerikanische Patentschrift 4 218 865 (D4, deutsche Übersetzung: D4a) nahegelegt. Die Druckschrift offenbare ein Anbaumähwerk, das aus zumindest einer drehbaren Mäheinheit bestehe und für den Anbau an einem Traktor vorgesehen sei. Bereits in der Einführung werde auf die Probleme bei bestehenden Vorrichtungen hinsichtlich der Bewegung von Mähwerken über den Boden während des Betriebs hingewiesen. Hierbei werde das Mähwerk gewichtsentlastet, damit die Bewegung den Bodenkonturen besser folgen und dadurch – neben einer geringeren Belastung für die Grasnarbe – eine gleichförmige Schnitthöhe erreicht werden könne. Die D4 spreche damit die auch dem Streitpatent zugrunde liegende Problemstellung an. Außerdem gehe es der Druckschrift darum, Kippmomente in der Längsrichtung gering zu halten, die besonders bei schnellen Kurvenfahrten auftreten.
Das Anbaumähwerk des bevorzugten Ausführungsbeispiels der D4, das in der nachfolgend wiedergegebenen Zeichnung in der Seitenansicht (Figur 2) gezeigt wird, besitze ein Trägergerüst, das im Wesentlichen aus einem Befestigungsträger (mounting beam 3) bestehe. Der Befestigungsträger stelle einen länglichen Rahmen dar (elongated structure 7), der sich aus einem winkelig angebrachten Hauptelement (angled main component 8) sowie einer horizontalen Verstärkungskomponente als Querstrebe (horizontal reinforcing component 9) zusammensetze. Dieser Rahmen stelle die Befestigungseinheit zumindest eines Teils des Anbaumähwerks dar und sei als Anbaubock der Mähvorrichtung im erfindungsgemäßen Sinne anzusehen. Die weitere Befestigung an den Traktor erfolge im Übrigen über eine in den Figuren 1 bis 3 nicht näher ausgeführte Dreipunkt-Verbindung (three point hitch structure 4).
Die Mähvorrichtung weise eine Ausgleichsvorrichtung auf, die sich aus dem oberen Lenker (47) und dem unteren Lenker (48) zusammensetze und ein Verschwenken der Mäheinheit um eine Achse quer zur Fahrtrichtung ermögliche. Ein zusätzlicher Lenker (61) begrenze die Maximalausschläge in beiden Schwenkrichtungen. Die Feder (69) entlaste die Mäheinheit, so dass das auf dem Boden lastende Gewicht entsprechend reduziert werde. Die Bodenanpassung der Ausgleichsvorrichtung wirke beim Auftreffen auf Bodenerhebungen oder Bodenabsenkungen in Bezug auf die Anpassung der Schneidwerke um die Querachse. Beide Lenker (47 und 48) seien von vorn oben nach hinten unten und damit – entsprechend der Lehre des Streitpatents – zum Schneidwerk hin gerichtet.
Die Ausgleichsvorrichtung in Form der beiden Lenker (47 und 48) bildeten einen Momentanpol als ideelle Quer-Schwenkachse aus, der jedoch nach den in den Figuren gezeigten Varianten nicht – entsprechend Merkmal 2.3.1 – unterhalb der Arbeitsebene liege. Ob eine Betriebsstellung denkbar sei, bei der der Momentanpol unterhalb der Arbeitsebene zu liegen komme, sei unerheblich, weil die Lagebedingung jedenfalls bei ebener sowie konstanter Steigung des Bodens nicht erfüllt sei.
In der D4 werde jedoch erwähnt, dass es wünschenswert sei, dass beim Überfahren großer Erhebungen das Mähwerk (und damit auch die Frontseite) nach oben und hinten verschwenkt werden könne. Damit erhalte der Fachmann die Anweisung, die Ausgleichsvorrichtung so auszugestalten, dass auch Merkmal 2.3.2 verwirklicht werde. Dass in der D4 der Verlauf der Schwenkachse durch einen Momentanpol nicht thematisiert werde, sei unerheblich, weil die Vorderseite des Schneidwerkszeugs neben dem Hochschwenken zugleich auch ein Verschwenken nach hinten nur dann erfahre, wenn der Momentanpol unterhalb der Schnittebene liege. Im Übrigen werde in der D4 auch erwähnt, dass dieses Ziel dadurch erreicht werden könne, dass die oberen Lenker (46, 47) gegenüber dem unteren Lenker (48) länger gestaltet würden. Dass die Ausgestaltung der Lenker geometrisch im Detail nicht beschrieben sei, sei unerheblich, weil der angesprochene Fachmann bei seinen Überlegungen zu einer Lösung gelangen werde, bei der die Lenker mit einem Achsenschnittpunkt unterhalb der Arbeitsebene angeordnet würden.
Selbst wenn jedoch angenommen werde, dass der Fachmann durch Anwendung seines fachlichen Könnens nicht zu einer solchen Ausgestaltung gefunden hätte, hätte er den Hinweis in der D4 nicht als unrealisierbar verworfen, sondern im weiteren Stand der Technik nach Ausführungen bei angebauten Mähvorrichtungen mit entsprechenden Lenkergeometrien gesucht. Dabei hätte er der D1 zwar kein Anbaumähwerk mit Anbaubock entnommen, wohl aber erkannt, dass bei dem in Figur 1 gezeigten Aufsitzmäher beim Auftreffen auf ein Hindernis die gesamte Mähvorrichtung und damit auch die Vorderseite des Schneidwerks sich nach oben und hinten bewegt und zudem geringfügig verschwenkt wird, was ihn dazu veranlasst habe, dies auf die Ausgestaltung der Lenker der D4 zu übertragen.
Auch der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge II und III beruhe auf keiner erfinderischen Tätigkeit, da die zusätzlichen Merkmale (Merkmalsgruppe 2.4) bereits durch die D4 offenbart würden. Das in Figur 2 der D4 gezeigte Ausführungsbeispiel weise ein auf die Mäheinheit bezogenes Gelenkviereck auf, das durch die Lenker (47, 48) gebildet werde. Die Basis des Gelenkvierecks werde durch den Bereich zwischen den beiden Gelenkpunkten (joint 53 und spaced pivot shafts 58) gebildet und stelle eine Art relativer Verankerung der Ausgleichsvorrichtung dar. Die Basis sei damit ein Teil des Befestigungsrahmens, der auch als Anbaubock bezeichnet werden könne. Die Schwinge des Gelenkvierecks sei in dem in der D4 als solcher bezeichneten Hauptträger (main beam oder main transverse beam 20) zu sehen. Die Lenker der Ausgleichsvorrichtung würden auch bei der D4 durch Koppelglieder gebildet, weshalb die Lenker Elemente der Kopplungsbewegung seien (Merkmal 2.4.1). Der Schnittpunkt der nach unten verlängerten Lenkerachsen stelle die Querschwenkachse und damit den Momentanpol der Bewegung des Schneidwerks um die Querachse dar (Merkmal 2.4.2). Merkmal 2.4.3 besage lediglich, dass die Lenker ausgehend von der Basis zur Schwinge konvergieren; dies sei auch bei der aus der D4 bekannten Mähvorrichtung der Fall.
In der D4 sei schließlich auch, wie in Patentanspruch 1 in der Fassung des vierten Hilfsantrags gefordert, offenbart, das Anbaumähwerk mit einem Anbaubock auszustatten, der zum Anbau an das Dreipunktgestänge eines Schleppers geeignet sei.
III.
Die Ausführungen des Patentgerichts halten den Angriffen der Berufung stand.
1.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des ersten Hilfsantrags wurde dem Fachmann durch die D4 oder durch eine Kombination der D4 und der US-amerikanischen Patentschrift 2 807 127 (D5; deutsche Übersetzung: D5a) nahegelegt. Ob der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags durch die D1 neuheitsschädlich vorweggenommen wird, bedarf danach keiner Entscheidung.
a)
Entsprechend den Ausführungen des Patentgerichts, die von dem Beklagten insoweit auch nicht angegriffen worden sind, offenbart die D4 ein Anbaumähwerk, das mit einem Schlepper beweglich verbunden ist (etwa Sp. 1, Z. 10 ff.; Sp. 5, Z. 19 f.; Anspruch 6, S. 12, Z. 36 ff.). Das Anbaumähwerk weist mit dem Befestigungsträger (mounting beam 3) einen Anbaubock zum Anschluss über eine Dreipunktkupplungsvorrichtung (three point hitch structure 4) an den Schlepper auf (Sp. 5, Z. 27 ff.; vgl. auch Anspruch 4, Sp. 12, Z. 22 ff.). Außerdem verfügt es über eine Ausgleichsvorrichtung zur Bodenanpassung des Schneidwerks, die im Wesentlichen aus den oberen Lenkern (46, 47) und dem unteren Lenker (48) besteht, über die das Mähwerk (2) über den Hauptträger (20) an dem Befestigungsträger (3) montiert ist (Sp. 6, Z. 35 ff.; vgl. auch Anspruch 1, Sp. 11, Z. 51 ff.). Zur Ausgleichsvorrichtung gehören auch zwei Federn (68, 69), die zwischen dem Mähwerk (2) und dem Befestigungsträger (3) angeordnet sind und dazu dienen, den Bodenkontaktdruck der Mäheinheiten zu vermindern und den Hauptträger schwimmend am Befestigungsträger aufzuhängen (Sp. 7, Z. 16 ff.; vgl. auch Ansprüche 2 und 12, Sp. 12, Z. 8 ff.; Sp. 14, Z. 3 ff.). Zudem gibt es einen Schwingungsbegrenzungsarm (61), der das Ausmaß der vertikalen Bewegung des Hauptträgers (20) relativ zu dem Befestigungsträger (3) begrenzt (Sp. 7, Z. 3 ff.; Anspruch 4, Sp. 12, Z. 22 ff.). Die Ausgleichsvorrichtung ermöglicht Schwenkbewegungen um eine Achse quer zur Fahrtrichtung, etwa wenn das Mähwerk (2) auf eine Anhebung der Bodenkontur trifft (vgl. Sp. 8, Z. 23 ff.). Dabei erstrecken sich die oberen Lenker (46, 47) in geneigter Lage von vorne oben nach hinten unten zum Schneidwerk des Mähwerks hin (vgl. Figur 2, wobei die Fahrtrichtung durch den Pfeil 76 angedeutet wird). Damit sind die Merkmale 1 bis 2.2 offenbart.
Der obere und der untere Lenker (47, 48) bilden bei der Vorrichtung nach der D4 einen Momentanpol als ideelle Querschwenkachse aus, der in der in Figur 2 gezeigten Betriebsstellung allerdings nicht unterhalb der Arbeitsebene liegt, so dass die Merkmalsgruppe 2.3 nicht offenbart ist. Ob der Momentanpol, wie von der Klägerin behauptet, bei bestimmten Betriebsstellungen des Mähwerks unterhalb der Arbeitsebene liegt, nämlich dann, wenn das Schneidwerk gegenüber der in Figur 2 gezeigten Betriebsstellung abgesenkt wird, weil das Mähwerk in eine Bodensenke hinabgleitet, während sich der Traktor auf einer die Bodensenke umgebenden horizontalen Ebene bewegt oder das Mähwerk in eine quer zur Fahrtrichtung verlaufende Furche fährt, während der Traktor horizontal ausgerichtet ist, und dies dem Fachmann durch die Figur 2 offenbart wurde, bedarf keiner Entscheidung, weil eine Ausbildung der in den Figuren 1 bis 4 gezeigten Ausgleichsvorrichtung entsprechend den Vorgaben der Merkmalsgruppe 2.3 jedenfalls naheliegend war.
Der D4 konnte der Fachmann unter der Überschrift „Modifikationen“ den Hinweis entnehmen, dass es wünschenswert sei, das Mähwerk gleichzeitig mit dem Anheben nach hinten zu kippen, um so größere Erhebungen in der Bodenkontur besser zu kompensieren (Sp. 10, Z. 33-36). Dies entspricht im Wesentlichen der in Merkmal 2.3.2 vorgesehenen Ausweichbewegung der Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse. Zwar ist es zutreffend, wie von dem Beklagten eingewandt wird, dass die D4 von einem Kippen des Mähwerks („mower structure“) und nicht von einem Kippen des Schneidwerks spricht, was die theoretische Möglichkeit einschließt, das Mähwerk an der Oberseite oder seinem Mittelpunkt zu kippen, so dass in Abhängigkeit von der Konstruktion der Ausführungsform im Übrigen möglichweise das Schneidwerk selbst nicht nach hinten, sondern nach vorne kippt. Für den Fachmann war jedoch unschwer erkennbar, dass allein ein Kippen des Mähwerks einschließlich des Schneidwerks gleichzeitig mit dem Anheben nach hinten technisch sinnvoll ist, um Erhebungen der Bodenkontur auszuweichen.
Um die erwünschte Ausweichbewegung des Mähwerks und damit des Schneidwerks zu ermöglichen, wird in der D4 vorgeschlagen, die oberen Lenker (46, 47) länger als den unteren (48) auszugestalten (Sp. 10, Z. 36-38). Zog der Fachmann dem folgend eine Verlängerung der oberen Lenker in Erwägung, um ein Ausweichen des Schneidwerks bei Erhebungen der Bodenkontur zu erreichen, gelangte er zu einer Ausgestaltung, bei der die Schwenkachse des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Momentanpol verläuft (Merkmal 2.3.1).
Dem steht auch nicht entgegen, dass in der Druckschrift nicht alle konstruktiven Maßnahmen beschrieben werden, die erforderlich sind, damit das in den Figuren 1 bis 4 gezeigte Mähwerk mit verlängerten oberen Lenkern funktionsfähig ist. Denn zwar würde – wovon auch beide Parteien ausgehen – das Schneidwerk um seine Achse kippen, wenn bei im Übrigen unveränderter Konstruktion allein die oberen Lenker der Ausgleichsvorrichtung verlängert würden. Die offensichtliche Unzweckmäßigkeit dieses Ergebnisses musste den Fachmann aber zu der Überlegung führen, dass dieser Effekt vermieden wird, wenn die Lenker (46, 47 und 48) so angeordnet werden, dass sich das Schneidwerk ungeachtet der Lenkerverlängerung in der Betriebsmittelstellung in horizontaler Lage befindet, was etwa durch eine Verlängerung des Langlochs des Schwingungsbegrenzungsarms (61) nach oben und eine höhere Aufhängung des Anbaubock des Mähwerks im Dreipunktgestänge (4) des Schleppers erreicht werden kann. Hieraus ergab sich ein steilerer Verlauf der Lenker mit einer Verlagerung des Momentanpols unter die Arbeitsebene, die in der Betriebsstellung bewirkt, dass die Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die quer zur Fahrtrichtung liegende Schwenkachse ausweicht. Die jeweilige Lage des Momentanpols musste hierzu als solche nicht notwendig erkannt werden.
b)
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wurde dem Fachmann zudem durch eine Kombination der D4 und der D5 nahegelegt.
Suchte er das in der D4 beschriebene und in Figur 2 gezeigte Mähwerk entsprechend der dortigen Anregung derart zu „modifizieren“, dass es gleichzeitig mit dem Anheben nach hinten kippt, um große Erhebungen der Bodenkontur besser zu kompensieren (D4, Sp. 10, Z. 29 ff.), wurde die D5 für ihn interessant. Denn auch darin wird für ein mit einem Traktor zu Erntezwecken verbundenes Mähwerk (cutting mechanism 16) auf das Problem eingegangen, dass es im Betrieb zu Problemen bei der Überwindung von Hindernissen, wie etwa einem Stein, kommen kann. Als Lösung wird vorgeschlagen, das durch zwei Lenker (links 29 and 30) mit dem Traggestell (frame 20) des Traktors verbundene Mähwerk derart anzuordnen, dass es sich um einen theoretischen Drehpunkt P dreht, der im Wesentlichen unterhalb der Bodenhöhe liegt (D5, Sp. 3, Z. 18 ff.; Figur 4). Der Fachmann erkannte, dass der Lösungsansatz der D5 auf die D4 übertragen werden kann, weil die Aufhängung der Mähwerke in beiden Fällen über ein Gelenkviereck erfolgt (D5: links 29 and 30; D4: links 46/47 and 48). Dadurch wurde er motiviert, entsprechend der Anordnung in der D5 auch das in Figur 2 der D4 gezeigte Mähwerk durch die unter III 1 a) genannten Maßnahmen derart abzuändern, dass die Schwenkachse des Schneidwerks durch einen unterhalb der Arbeitsebene angeordneten Drehpunkt (= Momentanpol) verläuft. Dabei war es für ihn ohne Bedeutung, dass sich das in der D5 offenbarte Schneidwerk im Betrieb in einer „schwebenden Position“ oberhalb der Bodenkontur bewegt (D5, Sp. 5, Z. 4 f.: „floating“ position; vgl. auch Sp. 1, Z. 29 f.: „floating“ action), während das in Figur 2 der D4 gezeigte Mähwerk auf Kufen (stationary skids 33) gleitet und sich damit vergleichsweise näher an der Bodenkontur befindet. Denn die Schwierigkeit, Erhebungen der Bodenkontur beschädigungslos zu überwinden, stellt sich bei beiden zumindest dann gleichermaßen, wenn die Erhebungen so hoch sind, dass sie auch an das in der D5 offenbarte Mähwerk heranreichen.
2.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge II und III ist dem Fachmann durch die D4 ebenfalls nahegelegt worden.
Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, ist die Ausgleichsvorrichtung des in den Figuren 1 bis 4 gezeigten Anbaumähwerks als Gelenkviereck ausgebildet, deren Basis von dem zwischen den Gelenkpunkten (53, 54) befindlichen Teil des Befestigungsträgers (3) als Anbaubock gebildet wird, deren Schwinge der Hauptträger (20) ist und deren Lenker die – von der Basis zur Schwinge konvergierenden – Lenker (46 bis 48) als Koppelglieder sind. Der Schnittpunkt der verlängert gedachten Lenker stellt die Querschwenkachse und damit den Momentanpol der Bewegung des Schneidwerkzeugs um die Querachse dar.
Dem steht nicht entgegen, dass, worauf der Beklagte hinweist, die beiden Lenker (47, 48) nicht in der gleichen vertikalen Ebene liegen, so dass die Verlängerungslinien die ideelle Schwenkachse an axial versetzt liegenden Stellen schneiden. Denn die mit der Ausrichtung der Koppelglieder derart, dass deren Verlängerungslinien auf der Schwenkachse des Schneidwerks liegen, angestrebte Funktion, ein Ausweichen der Vorderseite des Schneidwerks beim Auftreffen auf ein Hindernis nach oben und hinten um die Querschwenkachse zu erreichen, hängt nicht davon ab, dass die Verlängerungslinien der Lenker in der gleichen vertikalen Ebene liegen, wie sich im Übrigen in der D4 andeutet, wenn darin im Hinblick auf das in den Figuren 1 bis 3 gezeigte, vertikal versetzte Lenker aufweisende Ausführungsbeispiel davon die Rede ist, dass eine Ausweichbewegung beim Anheben nach hinten durch eine Verlängerung der oberen Lenker (46 und 47) gegenüber dem unteren (48) erreicht werden könne (vgl. Sp. 10, Z. 33-38).
Auch der Einwand des Beklagten, die Ausgleichsvorrichtung der D4 müsse, um funktionsfähig zu sein, neben den Lenkern auch den Schwingungsbegrenzungsarm (61) und Entlastungsfedern aufweisen, stellt das vom Patentgericht gefundene Ergebnis nicht in Frage, weil eine solche Ausgestaltung durch die Lehre des Patentanspruchs 1 nicht ausgeschlossen wird.
3.
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung des vierten Hilfsantrags wird durch die D4 ebenfalls nahegelegt. Das gegenüber der Fassung des ersten Hilfsantrags erweiterte Merkmal 2 wird durch die D4 offenbart. Der einen erfindungsgemäßen Anbaubock bildende Befestigungsträger (3) ist bei dem in den Figuren 1 bis 3 gezeigten Ausführungsbeispiel schwenkbar an einer Dreipunktkupplungsvorrichtung (4) gelagert (Sp. 5, Z. 27 ff.; vgl. auch Anspruch 6, Sp. 12, Z. 36 ff.); hiergegen bringt die Berufung auch nichts vor.
4.
Für eine andere Beurteilung der Patentfähigkeit des Gegenstands einer der angegriffenen Unteransprüche des Streitpatents ist – soweit sie nicht wie Patentanspruch 4 bereits Eingang in die Hilfsanträge gefunden haben – nichts geltend gemacht und auch für den Senat nichts erkennbar.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Beschluss vom 30.01.2014, Az. 4 Ni 12/11