BPatG: Schutzbereich eines Gebrauchsmusters ist nicht nur durch die Beschreibung und die Zeichnung auszulegen

veröffentlicht am 3. November 2015

BPatG, Beschluss vom 10.06.2015, Az. 35 W (pat) 421/13
§ 12a GebrMG

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Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend das Gebrauchsmuster 20 2006 016 410
(hier: Löschungsverfahren)

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 10.06.2015 durch … beschlossen:

I.
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 26. Februar 2013 aufgehoben.

II.
Das Gebrauchsmuster 20 2006 016 410 wird dadurch teilweise gelöscht, dass seine Ansprüche folgende Fassung erhalten:

„1. Höhenverstellbare Hubstütze für insbesondere Wohnmobile, mit einem an dessen Fahrzeugrahmen (R) gehaltenen Träger (2), an dem die ein äußeres Rohr (3) sowie zumindest ein inneres Rohr (4, 4‘) aufweisende Hubstütze (1, 1‘) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist, wobei die beiden Rohre (3, 4) durch eine eine antreibbare Gewindespindel (5) aufweisende Mitnahmevorrichtung (6) verbunden sind, derart, dass mit dieser Mitnahmevorrichtung (6) die Hubstütze (1, 1‘) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer  im wesentlichen vertikalen Stützstellung (H‘) hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (4, 4‘) mittels der Gewindespindel (5) in eine Stützstellung teleskopierbar ist, wobei die Mitnahmevorrichtung (6) mit zumindest einer am äußeren Rohr (3) geführten und am Träger (2) eine ortsfeste Stützachse (7) aufweisenden Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die stangenförmige Umlenkstange (8, 8‘) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres geführt ist.
2. Höhenverstellbare Hubstütze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung (6) mittels der eine Linearführung bildenden Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) die Schwenkung (S) der Hubstütze (1, 1‘) und die Teleskopierung (H) des inneren Rohres (4, 4‘) bewirkt.
3. Höhenverstellbare Hubstütze nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung mehrere der Umlenkstangen (8, 8‘) aufweist.
4. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8‘‘) mehrteilig ausgebildet ist und zumindest zwei gelenkig verbundene Stangenteile (12, 13) aufweist.
5. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8‘‘) die am Träger (2) vorgesehene Stützachse (7) mit einer Langlochführung (14) umgreift.“

III.
Die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.

IV.
Der weitergehende Löschungsantrag und die weitergehende Anschlussbeschwerde der Antragstellerin werden zurückgewiesen.

V.
Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzenzügen werden gegen einander aufgehoben.

Gründe

I.
Der Antragsgegner ist eingetragener Inhaber des Gebrauchsmusters 20 2006 016 410 (im Folgenden: Streitgebrauchsmuster) mit der Bezeichnung „Höhenverstellbare Hubstütze für Wohnmobile“, das am 26. Oktober 2006 angemeldet und am 28. Februar 2008 mit 7 Schutzansprüchen in das Register eingetragen worden ist. Die eingetragenen Schutzansprüche 1 bis 7 lauten:

„1. Höhenverstellbare Hubstütze für insbesondere Wohnmobile, mit einem an dessen Fahrzeugrahmen (R) gehaltenen Träger (2), an dem die ein äußeres Rohr (3) sowie zumindest ein inneres Rohr (4, 4’) aufweisende Hubstütze (1; 1′) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist, wobei die beiden Rohre (3, 4) durch eine eine antreibbare Gewindespindel (5) aufweisende Mitnahmevorrichtung (6) verbunden sind, derart, dass mit dieser Mitnahmevorrichtung (6) die Hubstütze (1; 1′) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer im wesentlichen vertikalen Stützstellung (H’) hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (4, 4′) mittels der Gewindespindel (5) in eine Stützstellung teleskopierbar ist,
dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung (6) mit zumindest einer am äußeren Rohr (3) geführten und am Träger (2) eine Stützachse (7) aufweisenden Umlenkstange (8, 8′; 8‘‘) versehen ist.
2. Höhenverstellbare Hubstütze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung (6) mittels der eine Linearführung bildenden Umlenkstange (8, 8′; 8‘‘) die Schwenkung (S) der Hubstütze (1; 1‘) und die Teleskopierung (H) des inneren Rohres (4, 4‘) bewirkt.
3. Höhenverstellbare Hubstütze nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung (6) mehrere der Umlenkstangen (8, 8‘) aufweist.
4. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8, 8‘) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) geführt ist.
5. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 3, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8‘‘) an der Außenseite (10) des äußeren Rohres (3) in einem Aufnahmekanal (11) geführt ist.
6. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 5,
dadurch gekennzeichnet,
dass die Umlenkstange (8‘‘) mehrteilig ausgebildet ist und zumindest zwei gelenkig verbundene Stangenteile (12, 13) aufweist.
7. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 6,
dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8‘‘) die am Träger (2) vorgesehen Stützachse (7) mit einer Langlochführung (14) umgreift.“

Mit Schriftsatz vom 25. September 2009 hat der Antragsgegner neue Schutzansprüche 1 bis 5 zur patenamtlichen Akte gereicht, sinngemäß mit der Erklärung, dass er für Vergangenheit und Zukunft aus dem Streitgebrauchsmuster nur Rechte im Umfang dieser neuen, nachgereichten Schutzansprüche geltend machen werde. Diese Schutzansprüche lauten:

„1. Höhenverstellbare Hubstütze für insbesondere Wohnmobile, mit einem an dessen Fahrzeugrahmen (R) gehaltenen Träger (2), an dem die ein äußeres Rohr (3) sowie zumindest ein inneres Rohr (4, 4’) aufweisende Hubstütze (1, 1′) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist, wobei die beiden Rohre (3, 4) durch eine eine antreibbare Gewindespindel (5) aufweisende Mitnahmevorrichtung (6) verbunden sind, derart, dass mit dieser Mitnahmevorrichtung (6) die Hubstütze (1, 1′) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer im wesentlichen vertikalen Stützstellung (H’) hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (4, 4′) mittels der Gewindespindel (5) in eine Stützstellung teleskopierbar ist, wobei die Mitnahmevorrichtung (6) mit zumindest einer am äußeren Rohr (3) geführten und am Träger (2) eine Stützachse (7) aufweisenden Umlenkstange (8, 8′, 8″) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8, 8′) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) geführt ist.
2. Höhenverstellbare Hubstütze nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung (6) mittels der eine Linearführung bildenden Umlenkstange (8, 8′; 8‘‘) die Schwenkung (S) der Hubstütze (1; 1‘) und die Teleskopierung (H) des inneren Rohres (4, 4‘) bewirkt.
3. Höhenverstellbare Hubstütze nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass die Mitnahmevorrichtung (6) mehrere der Umlenkstangen (8, 8‘) aufweist.
4. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8‘‘) mehrteilig ausgebildet ist und zumindest zwei gelenkig verbundene Stangenteile (12, 13) aufweist.
5. Höhenverstellbare Hubstütze nach einem der Ansprüche 1 bis 4, dadurch gekennzeichnet, dass die Umlenkstange (8‘‘) die am Träger (2) vorgesehen Stützachse (7) mit einer Langlochführung (14) umgreift.“

Die Schutzdauer des Streitgebrauchsmusters wurde auf 10 Jahre verlängert. Es ist in Kraft.

Mit Schriftsatz vom 30. November 2009 hat die Antragstellerin die Löschung des Streitgebrauchsmusters beantragt. Dieser Antrag ist dem Antragsgegner am 1. März 2010 zugestellt worden. Der Widerspruch des Antragsgegners gegen diesen Löschungsantrag ist am 11. März 2010, das heißt innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist und damit rechtzeitig beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen.

Als Löschungsgrund macht die Antragstellerin fehlende Schutzfähigkeit gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. §§ 1 bis 3 GebrMG geltend.

In der mündlichen Verhandlung vor der Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) vom 26. Februar2013 hat der Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster nach Hauptantrag in der Fassung der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009 verteidigt. Außerdem hat der Antragsgegner weitere Hilfsanträge gestellt. Mit Beschluss vom 26. Februar 2013 hat die Gebrauchsmusterabteilung I das Streitgebrauchsmuster gelöscht, soweit es über die Fassung nach Hilfsantrag 2 des Antragsgegners aus der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 2013 hinausging. Der weitergehende Löschungsantrag wurde zurückgewiesen. Die Kosten des patentamtlichen Löschungsverfahrens wurden gegen einander aufgehoben.

Die Gebrauchsmusterabteilung I des Deutschen Patent- und Markenamts hat hierbei die Schutzfähigkeit der höhenverstellbaren Hubstütze nach Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag verneint, und dies damit begründet, dass diese gegenüber dem Stand der Technik nach der Druckschrift D3 nicht mehr neu sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Die Antragstellerin hat Anschlussbeschwerde erhoben.

Im Beschwerdeverfahren hat der Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster zuletzt unter anderem nach Hauptantrag in der Fassung der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009 verteidigt und hilfsweise in der Fassung der Schutzansprüche 1 bis 5 nach Hilfsantrag 1 aus dem Schriftsatz vom 8. Juni 2015.

Schutzanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 vom 8. Juni 2015 lautet:
„1. Höhenverstellbare Hubstütze für insbesondere Wohnmobile, mit einem an dessen Fahrzeugrahmen (R) gehaltenen Träger (2), an dem die ein äußeres Rohr (3) sowie zumindest ein inneres Rohr (4, 4‘) aufweisende Hubstütze (1, 1‘) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist, wobei die beiden Rohre (3, 4) durch eine eine antreibbare Gewindespindel (5) aufweisende Mitnahmevorrichtung (6) verbunden sind, derart, dass mit dieser Mitnahmevorrichtung (6) die Hubstütze (1, 1‘) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer im wesentlichen vertikalen Stützstellung (H‘) hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (4, 4‘) mittels der Gewindespindel (5) in eine Stützstellung teleskopierbar ist, wobei die Mitnahmevorrichtung (6) mit zumindest einer am äußeren Rohr (3) geführten und am Träger (2) eine ortsfeste Stützachse (7) aufweisenden Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die stangenförmige Umlenkstange (8, 8‘) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres geführt ist.“

Wegen des Wortlauts der nachgeordneten Schutzansprüche 2 bis 5 wird Bezug genommen auf den Tenor dieser Entscheidung.

Der Antragsgegner hat beantragt, den Beschluss der Gebrauchsmusterabteilung des Deutschen Patent- und Markenamts vom 26. Februar 2013 aufzuheben und den Löschungsantrag der Antragstellerin im Umfang der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009,
hilfsweise:
im Umfang des Hilfsantrages 1 vom 8. Juni 2015 und weiterer Hilfsanträge 2 bis 6 zurückzuweisen.

Außerdem hat der Antragsgegner die Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Antragstellerin beantragt.

Die Antragstellerin hat beantragt, die Beschwerde des Antragsgegners zurückzuweisen und im Wege der Anschlussbeschwerde:
das Streitgebrauchsmuster im vollen Umfang zu löschen.

Weiter hat die Antragstellerin die Zulassung der Rechtsbeschwerde angeregt.

Sie ist der Meinung, dass der höhenverstellbaren Hubstütze nach Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag die Schutzfähigkeit fehle, da diese gegenüber dem Stand der Technik nach einer der Druckschriften D1, D2 oder D3 nicht mehr neu sei oder zumindest nicht auf einem erfinderischen Schritt ausgehend von einer der Druckschriften D4 bis D10 in Kombination mit einem der Druckschriften D1 bis D3 beruhe.

Zu dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag führt die Antragstellerin aus, dass dieser in unzulässiger Weise erweitert sei, da eine nun beanspruchte „ortsfeste“ Stützachse ebenso wie eine „stangenförmige“ Umlenkstange in den ursprünglichen Unterlagen nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass dies ein Fachmann erkennen könne. Darüber hinaus sei der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag zumindest nicht neu gegenüber dem Stand der Technik nach einer der Druckschriften D2 oder D3.

Die folgenden Entgegenhaltungen sind im Verfahren:
D1 DE 90 02 811 U1
D2 US 3 182 957 A
D3 EP 0 597 406 A1
D4 US 4 635 904 A
D5 DE 298 17 050 U1
D6 US 4 865 295 A
D7 US 2 837 312 A
D8 EP 1 238 875 A2
D9 EP 1 586 528 A1
D10 US 3 362 683 A

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten.

II.
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist insoweit teilweise begründet, als der Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster in der Fassung nach Hilfsantrag 1 vom 8. Juni 2015 verteidigt hat. Denn der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in dieser Fassung ist zulässig, neu und beruht auf einem erfinderischen Schritt. Dagegen war die weitergehende Beschwerde des Antragsgegners, die auf eine Zurückweisung des Löschungsantrages im Umfang der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009 gerichtet war, als unbegründet zurückzuweisen, weil der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der Fassung der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009 jedenfalls nicht neu und deswegen auch nicht schutzfähig i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG ist. Insoweit war die Beschwerde als teilweise unbegründet zurückzuweisen.

I.1
Das Streitgebrauchsmuster betrifft eine höhenverstellbare Hubstütze für Wohnmobile.

Gemäß Beschreibungseinleitung Absatz [0002] des Streitgebrauchsmusters weist eine zum Zeitpunkt der Anmeldung des Streitgebrauchsmusters bekannte höhenverstellbare Hubstütze dieser Art, wie sie aus der Druckschrift D4 bekannt ist, einen an einem Fahrzeugrahmen festlegbaren Träger auf, an dem ein äußeres Rohr der mit zumindest einem weiteren Innenrohr als teleskopierbare Gruppe ausgebildeten Hubstütze schwenkbar gehalten ist. Zur Schwenkverlagerung dieser Hubstütze sind deren teleskopierbare Rohre durch eine mit einer antreibbaren Gewindespindel zusammenwirkenden Mitnahmevorrichtung verbunden.

Die Mitnahmevorrichtung ist dabei derart ausgeführt, dass diese bei einem durch die Gewindespindel bewirkten Ein- bzw. Ausfahren der teleskopierbaren Rohre gleichzeitig auch eine Schwenkbewegung der Hubstütze in bzw. aus ihrer Ruhelage bewirkt wird.

Dem Streitgebrauchsmuster liegt die Aufgabe zu Grunde gegenüber diesem Stand der Technik eine höhenverstellbare Hubstütze zu schaffen, die mit einem geringeren technischen Aufwand eine Mitnahmeverbindung der beiden Rohrteile ermöglicht und mit einfachen Bauteilen kostengünstig herstellbar ist (vgl. Absatz [0003] der Streitgebrauchsmusterschrift).

I.2
Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitgebrauchsmuster im Schutzanspruch 1 der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009 eine Hubstütze vor, deren Merkmale wie folgt gegliedert werden können:

a) Höhenverstellbare Hubstütze für insbesondere Wohnmobile,
b) mit einem an dessen Fahrzeugrahmen (R) gehaltenen Träger (2), an dem die ein äußeres Rohr (3) sowie zumindest ein inneres Rohr (4, 4’) aufweisende Hubstütze (1, 1′) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist,
c) wobei die beiden Rohre (3, 4) durch eine Mitnahmevorrichtung (6), verbunden sind,
d) die Mitnahmevorrichtung (6) weist eine antreibbare Gewindespindel (5) auf,
e) mit dieser Mitnahmevorrichtung (6) ist die Hubstütze (1, 1′) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer im wesentlichen vertikalen Stützstellung (H’) hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (4, 4′) in eine Stützstellung teleskopierbar,
f) mittels der Gewindespindel (5),
g) wobei die Mitnahmevorrichtung (6) mit zumindest einer am äußeren Rohr (3) geführten und am Träger (2) eine Stützachse (7) aufweisenden Umlenkstange (8, 8′, 8″) versehen ist,
dadurch gekennzeichnet,
h) dass die Umlenkstange (8, 8′) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) geführt ist.

I.3
Der zuständige Fachmann, auf dessen Wissen und Können es insbesondere für die Auslegung der Merkmale des Streitgebrauchsmusters und für die Beurteilung des Standes der Technik ankommt, ist nach Auffassung des Senats ein Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit mindestens Hochschulabschluss, der über einschlägige Kenntnisse auf dem Gebiet der Konstruktion und Herstellung von teleskopierbaren Hubstützen von Anhängefahrzeugen verfügt.

I.4
Einige Merkmale des Schutzanspruchs 1 nach Haupt- und Hilfsantrag sind hinsichtlich ihres Verständnisses durch den Fachmann erläuterungsbedürftig.

Die von der beanspruchten höhenverstellbaren Hubstütze umfasste und in den Merkmalen c) bis g) ausgeführte Mitnahmevorrichtung (6) weist eine Gewindespindel (5) und eine Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) auf, wobei die durch die Mitnahmevorrichtung (6) erfolgte „Verbindung“ der beiden Rohre (3,4) gemäß Merkmal c) zu gewährleisten hat, dass bei Betätigung der Mitnahmevorrichtung die Hubstütze sowohl verschwenkt, wie auch teleskopiert wird.

Die Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) ist dabei ein Bauteil, dessen Geometrie derart bemessen ist, dass dessen Länge dessen Querschnitt deutlich überragt. Es weist in seiner Längsrichtung eine charakteristische Achse auf, über die Druck- oder Zugkräfte, die an einem ersten Ende des Bauteils in Richtung dieser Achse eingeleitet werden, zu dem anderen Ende übertragen werden können. Diese Achse muss jedoch nicht zwingend mit der Mittel- bzw. Schwerpunktlinie des Bauteils zusammenfallen. So kann das Bauteil auch gekrümmt ausgebildet sein, sofern durch es nur die entsprechend vorstehend beschriebene Kraftübertragung gewährleistet ist.

Ebenso wenig ist die Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) auf eine einteilige Ausführung beschränkt. Sie kann vielmehr auch mehrteilig ausgebildet sein, wie dies im geltenden Schutzanspruch 4 gemäß Hauptantrag, der auf den geltenden Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag rückbezogen ist, beansprucht wird.

Gemäß Merkmal h) des geltenden Schutzanspruchs 1 ist die Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) geführt. Nach Ansicht des Antragsgegners sei das Merkmal h) dabei so zu verstehen, dass die Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) „tatsächlich vollständig geführt ist und dazu zwingend im Inneren des Rohres angeordnet ist“, wobei sich diese Auslegung des Begriffs der Führung an der Innenseite unmittelbar aus der Beschreibung und den Figuren ergäbe, die nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Begriffsdefinition heranzuziehen wären.

Dieser Auffassung vermag sich der Senat nicht anschließen.

So ist der Schutzbereich eines Gebrauchsmuster durch den Inhalt der Schutzansprüche bestimmt. Dabei sind die Beschreibung und die Zeichnung zutreffend zur Auslegung der Schutzansprüche heranzuziehen (vgl. § 12a GebrMG). Jedoch erlaubt dies regelmäßig keine einschränkende Auslegung eines die Erfindung allgemein kennzeichnenden Schutzanspruchs (BGH, Urteil v. 07.09.2004 X ZR 255/01, GRUR 2004, 1023 bis 1025 – Bodenseitige Vereinzelungseinrichtung).

Unter einer Führung ist ein Maschinenelement zu verstehen, das eine Translation einer oder mehrerer beweglicher Baugruppen zueinander ermöglicht und dabei gleichzeitig die Einhaltung einer Bewegungsrichtung garantiert. Der Begriff „geführt“ ist daher schon allein deshalb nicht mit dem Begriff „angeordnet“ gleichzusetzen, denn eine Anordnung eines ersten Bauteils an einem zweiten Bauteil kann auch eine feste unbewegliche Verbindung zueinander mit umfassen.

Die in Merkmal h) beanspruchte Führung ermöglicht der Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) in diesem Sinne eine definierte translatorische Bewegung gegenüber der Innenseite (9) des äußeren Rohr (3), wobei die Bewegungsbahn durch die geometrische Form bzw. Kontur der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) vorgegeben ist. Dabei kann die Umlenkstange (8, 8‘, 8‘‘) selbst durchaus auch außerhalb des äußeren Rohres (3) angeordnet sein, sofern nur deren Führung an der Innenfläche (9) des äußeren Rohres (3) realisiert ist.

Ob die Führung unmittelbar oder mittelbar ausgestaltet ist, ist darüber hinaus nicht Bestandteil des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag.

Ebenso wenig vermögen die in der Beschreibung und in den Figuren dargelegten Ausführungsbeispiele das Teilmerkmal „Stützachse“ in Merkmal g) einzuschränken, wonach diese nicht auch beweglich oder einstellbar gegenüber dem Träger angeordnet sein kann, sofern nur deren Funktion einer Abstützung gegenüber dem Träger gewährleistet ist.

II.1
Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der Fassung der nachgereichten Schutzansprüche vom 25. September 2009 ist zwar zulässig aber jedenfalls nicht neu.

II.1.1
Der Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der verteidigten Fassung gemäß Hauptantrag stellt eine zulässige Beschränkung des eingetragenen Schutzanspruchs 1 dar.

Gegenüber dem Schutzanspruch 1 in der eingetragenen Fassung weist der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag das zusätzliche Merkmal h) auf, das vollumfänglich dem eingetragenen Anspruch 4 entnommen ist.

Die geltenden Schutzansprüche 2 bis 5 gemäß Hauptantrag entsprechen den eingetragenen Ansprüchen 2, 3, 6 und 7.

II.1.2
Aus der Druckschrift D1 ein Wohnmobil bekannt, welches zur Stabilisierung im abgestellten Zustand fünf Hubstützen (Hebewinden 4) aufweist. Jede dieser Hubstützen (4) besteht aus einem Träger (Halteteil 6), welcher an einer Plattform des Wohnmobils befestigt ist, und einem inneren Rohr (Fuß 7), das relativ zu dem Träger (6) auf den Boden absenkbar ist. Die Hübstützen (4) sind daher höhenverstellbar und stützen den Aufbau des Wohnmobils ab.

Das innere Rohr (7) ist in einem durch ein kastenförmiges Metallblech als Teil einer Hilfstragkonstruktion (9) gebildeten äußeren Rohr (9) verschiebbar angeordnet und relativ zu diesem zwischen einer eingefahrenen und einer ausgefahrenen Stellung bewegbar.

Das äußere Rohr (9) ist seinerseits an dem Träger (6) um eine horizontale Achse (10) zwischen einer vertikalen Arbeitsstellung und einer im Wesentlichen horizontalen Stellung verschwenkbar angeordnet (Seite 3; Figuren 1 bis 5) [Merkmale a) und b)].

Die Hubstütze weist ferner eine Mitnahmevorrichtung auf, die einen Hebel (15) und eine antreibbare Gewindespindel (Antriebsspindel 12) [Merkmal d)] umfasst, die im Inneren des Trägers (6) drehbar montiert. Sie steht mit einer Spindelmutter (13) in Eingriff, die gegen Drehung gesichert ist und aus diesem Grund bei Rotation der Gewindespindel (12) eine horizontale Bewegung ausführt (Übergang Seiten 2 und 3).

Diese horizontale Bewegung wird mittels des an der Spindelmutter (13) befestigten Hebels (15) in eine Bewegung des äußeren bzw. inneren Rohres umgelenkt, in dem die durch die horizontale Bewegung der Spindelmutter auf das eine Ende des Hebels (16) wirkende Kraft entlang dessen Längsachse zu dessen anderem Ende weitergeleitet wird, wobei dieses Ende mit dem inneren Rohr (7) verbunden ist. Dabei werden bei Rotation der Spindelmutter (13) aus der Ruheposition der Hubstütze heraus zunächst die beiden Rohre der Hubstütze aus ihrer Ruhelage in eine vertikale Arbeitsstellung verschwenkt (Figur 7), die durch einen Anschlag der Konstruktion an einer Wand (22) beschränkt ist. Eine weitere Bewegung der Spindelmutter (13) bewirkt dann in Folge ein Herausfahren des inneren Rohres (7) aus dem äußeren Rohr (9) (Seite 3) [Merkmale e) und f)].

Da die Gewindespindel (12) mit ihrer zugehörigen Gewindemutter (13) somit die Bewegung der beiden Rohre zueinander steuert, ist auch das Merkmal c) des geltenden Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag im Sinne der vorstehenden Auslegung verwirklicht.
Figur 6 der D1
Figur 7 der D1
Figur 8 der D1

Die Verbindung des Hebels 15 mit dem inneren Rohr (7) erfolgt durch einen in dem äußeren Rohr (9) angebrachten Schlitz (17) hindurch mittels eines durch den Schlitz (17) ragenden Stiftes (16) (Figuren 6 bis 8) (Seiten 3 und 4).

Aufgrund der Umlenkung der in den Hebel (15) eingeleiteten Kraft und der aus den Figuren erkennbaren geometrischen Form des Hebels (15), stellt dieser im Sinne der vorstehenden Auslegung einen Umlenkstab dar.

Bei der durch die Rotation der Spindelmutter (13) induzierten Bewegung des Hebels (15) wird dessen Bewegungsbahn zum einen durch die lineare Bewegungsbahn der Spindelmutter (13), zum andern durch die lineare Bewegungsbahn des direkt mit ihm verbundenen inneren Rohres (7) in dem äußeren Rohr (9) bestimmt. Da die Bewegungsbahn des inneren Rohr durch die Innenseite des äußeren Rohres vorbestimmt ist und das Ende des Hebels aufgrund seiner direkten Verbindung mit dem inneren Rohr (7) unmittelbar dieser Bewegungsbahn folgt, ist auch das entsprechende Teilmerkmal des Merkmals g) sowie das Merkmal h) durch die Druckschrift D1 vorbekannt.

Der Schlitz (17) in der Rohrwand des äußeren Rohres (9) stellt selbst hierbei jedoch keine Führung dar, da er weder die Bewegungsbahn der Spindelmutter (13) noch die des inneren Rohres (7) bestimmt, sondern nur das Hindurchgreifen des Hebels (16) bzw. des Stiftes ermöglicht.

Wie vorstehend bereits ausgeführt, ist der Hebels (15) mit der Spindelmutter (13) verbunden. Die Verbindung erfolgt an einer Achse (14) gelenkig (Seite 4, 1. Absatz). Auf den Hebel (15) von dessen unteren Ende wirkende Kräfte werden somit über diese Achse (14), die Spindelmutter (13) und die Spindel (12) mittelbar an dem Träger (6) abgestützt.

Damit gehen alle Merkmale des geltenden Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag aus der Druckschrift D1 hervor.

Der Gegenstand des geltenden Schutzanspruchs 1 gemäß Hauptantrag ist somit nicht neu gegenüber der Druckschrift D1 gemäß § 3 GebrMG.

II.2
Der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der Fassung der Schutzansprüche nach Hilfsantrag 1 vom 8. Juni 2015 ist zulässig, unstrittig gewerblich anwendbar, neu und beruht auf einem erfinderischen Schritt.

Er betrifft ebenfalls eine höhenverstellbare Hubstütze für Wohnmobile und lautet in gegliederter Fassung, wobei Unterscheide zum Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag unterstrichen sind:

a) Höhenverstellbare Hubstütze für insbesondere Wohnmobile,
b) mit einem an dessen Fahrzeugrahmen (R) gehaltenen Träger (2), an dem die ein äußeres Rohr (3) sowie zumindest ein inneres Rohr (4, 4’) aufweisende Hubstütze (1, 1′) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist,
c) wobei die beiden Rohre (3, 4) durch eine Mitnahmevorrichtung (6), verbunden sind
d) die Mitnahmevorrichtung (6) weist eine antreibbare Gewindespindel (5) auf
e) mit dieser Mitnahmevorrichtung (6) ist die Hubstütze (1, 1′) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer im wesentlichen vertikalen Stützstellung (H’) hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (4, 4′) in eine Stützstellung teleskopierbar,
f) mittels der Gewindespindel (5)
g) wobei die Mitnahmevorrichtung (6) mit zumindest einer am äußeren Rohr (3) geführten und am Träger (2) eine ortsfeste Stützachse (7) aufweisenden Umlenkstange (8, 8′, 8″) versehen ist, dadurch gekennzeichnet,
h) dass die stangenförmige Umlenkstange (8, 8′) an der Innenseite (9) des äußeren Rohres (3) geführt ist.

II.2.1
Der Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters in der verteidigten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 stellt eine zulässige Beschränkung des eingetragenen Schutzanspruchs 1 dar.

Gegenüber dem Schutzanspruch 1 gemäß Hauptantrag weist der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 in Merkmal g) eine Beschränkung der Stützachse (7) auf eine „ortsfeste“ Stützachse (7), sowie in Merkmal h) eine Beschränkung der Umlenkstange (8) auf eine „stangenförmige“ Umlenkstange (8) auf.

Die erstgenannte Beschränkung ist zwar in der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters nicht explizit wörtlich erwähnt, sie ergibt sich für den Fachmann aber deutlich und ohne weiteres erkennbar aus den Figuren 3 und 4 des Streitgebrauchsmusters.

Zeichnungen bzw. Figuren sind allgemein die bevorzugte Sprache des Technikers und daher im besonderen Maße geeignet, einen technischen Sachverhalt zu vermitteln. Sie sind daher integraler Bestandteil der Offenbarung einer Erfindung und ebenso wie die Patentansprüche und die Beschreibung gleichwertige Offenbarungsmittel (BGH, Urteil vom 4.5.1995 – X ZR 29/93, GRUR 1996, 757 bis 762 – Zahnkranzfräser, sowie BGH Urteil v. 30.01.2007 – X ZR 156/02, GRUR 2007, 578 bis 580 – rückspülbare Filterkerze). Für einen technischen Fachmann ist es sogar üblich, zur ersten Information zunächst eine Zeichnung zu studieren, da sie ihn am schnellsten auf die ihm gewohnte Weise über einen technischen Sachverhalt in Kenntnis setzt.

In den Absätzen [0014] bis [0016] der Beschreibung des Streitgebrauchsmusters wird die erfindungsgemäße höhenverstellbare Hubstütze anhand eines Ausführungsbeispiels erläutert, wobei hierzu unter anderem ausdrücklich auf die Figuren 3 und 4 verwiesen wird. Bei Nachvollzug der in diesen vorstehend genannten Absätzen beschriebenen Funktionsweise der Hubstütze beim Verbringen der Hubstütze in eine bzw. aus einer Stützstellung heraus in diesen Figuren, erkennt der Fachmann ohne weiteres, dass die Umlenkstange (8, 8‘) drehbar um eine mit dem Bezugszeichen (7) versehene und in der Beschreibung als „Stützachse“ bezeichnete Achse unmittelbar am Träger (2) gelagert ist. Die Stützachse ist für den Fachmann in diesem Fall zwingend als „ortsfest“ zu erkennen, da die erfindungsgemäße Funktion dieser Stützachse bei jeglicher anderweitigen abweichenden Anordnung gegenüber dem Träger (2) zu einem Funktionsverlust der Hubstütze führen würde.

Insofern die Antragstellerin mit Verweis auf das BGH-Urteil „Verteilergehäuse“ (BGHZ 83, 83 – Verteilergehäuse) ausführt, dass ein zu einer Erfindung gehöriges Merkmal im allgemeinen dann nicht zu einer Erfindung gehörig offenbart sei, wenn es nur aus einer Zeichnung ersichtlich in der Beschreibung jedoch nicht erwähnt sei, vermag hier nicht zu greifen, da der Bundesgerichthof bereits in der Entscheidung „Formteil“ festgestellt hat, dass an dieser sich auf das Patentgesetz in der Fassung von 1968 beziehende Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten ist (BGH Urteil v. 18.02.2010 – Xa ZR 52/08 – Formteil).

II.2.2
Wie bereits vorstehend ausgeführt ist bei der in der Druckschrift D1 offenbarten Hubstütze der Hebels (15) mit der Spindelmutter (13) verbunden, wobei diese Verbindung an der Stützachse (14) gelenkig erfolgt (Seite 4, 1. Absatz). Da die Spindelmutter (13) bei Rotation der Gewindespindel (12) jedoch eine horizontal gerichtete translatorische Bewegung ausführt, ist diese Stützachse (14) nicht ortsfest gegenüber dem Träger (2) ausgebildet. Somit ist aus der Druckschrift D1 das Merkmal g) gemäß dem Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 nicht vollständig vorbekannt und der Gegenstand des Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 somit neu gegenüber der Druckschrift D1.

Aus allen weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften ist hingegen keine höhenverstellbare Hubstütze bekannt, deren stangeförmige Umlenkstange gemäß Merkmal h) an der Innenseite des äußeren Rohres geführt ist.

Die Druckschrift D2 zeigt einen Fahrzeuganhänger, an dessen Fahrzeugrahmen (trailer 20) ein Träger gehalten ist, an dem eine ein äußeres Rohr (outer leg tube 36) sowie zumindest ein inneres Rohr (inner leg tube 38’) aufweisende Hubstütze (leg 32, 34) als teleskopierbare Baugruppe schwenkbar gelagert ist. Die beiden Rohre (36, 38) sind durch eine eine antreibbare Gewindespindel (jackscrew) aufweisende Mitnahmevorrichtung miteinander verbunden (Spalte 1 Zeile 70 bis Spalte 2, Zeile 11).
Figuren 8 bis 10 der D2

Die Hubstütze umfasst eine Umlenkstange (strut 86), die außerhalb des äußeren Rohres (36) angeordnet ist und an ihrem einen Ende eine am Träger aufweisende ortsfeste Stützachse (pivot 88) aufweist, während das andere Ende der Umlenkstange (86) frei ist (lower end portion 90) (Spalte 2, Zeilen 34 bis 46). Beim Einfahren der Hubstütze aus einer ausgeklappten Stützstellung (Figuren 8, 9) wird bei Betätigung der Gewindespindel zunächst das innere Rohr (38) in das äußere Rohr (38) eingefahren, bis der Fuß (foot 94) des inneren Rohres (38) in Kontakt mit dem Ende (90) der Umlenkstange kommt. Aufgrund des sich bei weiterer Betätigung der Gewindespindel im Folgenden aufbauenden Drehmoments zwischen der Stützachse (88) und der Drehachse (pivot 50) des äußeren Rohres (36) schwenkt die Hubstütze (32) in ihre eingeklappte horizontale Position. Das Ausfahren erfolgt analog in umgekehrter Reihenfolge.

Somit ist mit dieser Mitnahmevorrichtung die Hubstütze (32) aus einer im wesentlichen horizontalen Ruhestellung zu einer im wesentlichen vertikalen Stützstellung hin verlagerbar und dabei das innere Rohr (38) mittels der Gewindespindel in eine Stützstellung teleskopierbar.

Die Führung der Umlenkstange (86) erfolgt jedoch ausschließlich an der Außenseite des äußeren Rohres (36) durch eine entsprechend geformte Klammer (guide bracket 96), die das äußere Rohr (36) umschließt und an dessen Außenseite translatorisch bewegt wird (Spalte 2, Zeilen 47 bis 55).

Die von der Antragstellerin angeführte und in Spalte 2, Zeilen 34 bis 46 beschriebene Verbindung zwischen dem inneren Rohr (38) und der Umlenkstange (86) betrifft lediglich einen Kontakt, der der Kraftübertragung zwischen inneren Rohr (38) und der Umlenkstange (86) dient und der weder form- noch reibschlüssig erfolgt. Da er deshalb keiner Führung im Sinne der vorstehenden Auslegung dienen kann, geht aus der Druckschrift D2 auch keine mittelbare Führung der Umlenkstange (86) an der Innenseite des äußeren Rohres (36) über das innere Rohr (38) hervor.

Die Druckschrift D3 offenbart eine höhenverstellbare Hubstütze für Wohnmobile (Titel). Diese umfasst einen am Fahrzeugrahmen (Träger 1) gehaltenen Träger (Lagerbock 3), an dem die höhenverstellbare Hubstütze als Baugruppe schwenkbar gelagert ist. Sie ist teleskopierbar und umfasst ein äußeres Rohr (25) sowie ein hierzu verstellbares inneres Rohr (26) (Spalte 2, Zeilen 24 bis 30; Spalte 3, Zeilen 36 bis 29; Spalte 4, Zeilen 34 bis 39).

Zur telekopierbaren Bewegung der beiden Rohre zueinander sind diese durch eine Mitnahmevorrichtung miteinander verbunden, die zum einen eine mittels einer Handkurbel (12) antreibbare Gewindespindel (24), die im Inneren der beiden Rohre angeordnet ist und in eine am inneren Rohr (26) befestigte Spindelmutter (28) eingreift (Spalte 3, Zeilen 24 bis 33), sowie zum anderen ein Mitnehmerglied (30) umfasst.

Das Mitnehmerglied (30) ist U-förmig ausgebildet und dient dazu, beim Ein- und Ausfahren der Hubstütze mittels der Gewindespindel (24) die beiden Rohre (25, 26) um die Achse (21) einer am Träger (3) gelagerten Welle (8) zu verschwenken (Spalte 3, Zeilen 43 bis 47). Hierbei ist es mit seinem einem Ende schwenkbar auf einer an dem Träger (3) angeordneten Achse (29) gelagert und weist am anderen Ende eine Abwinkelung (34) auf, die einen in Längsrichtung des äußeren Rohres (25) verlaufenden Schlitz hintergreift (Spalte 3, Zeilen 48 bis 59).

Durch eine an dem Mitnehmerglied (30) angreifende Schenkelfeder (38) ist dieses in Ausklapprichtung der Hubstütze mit einem Drehmoment beaufschlagt und in der ausgefahrenen Stützstellung bestrebt aus den Inneren der Hubstütze heraus zu schwenken (Spalte 4, Zeilen 53 bis 55), woran es aber aufgrund der Anlage der Abwinkelung (34) an der Innenseite des äußern Rohres (25) gehindert wird.
Figur 3 der D3
Figur 5 der D3

In der Ruhestellung der Hubstütze sowie beim Vorgang des Verschwenkens der Hubstütze aus der Ruhestellung in die Stützstellung liegt das Mitnehmerglied (30) jedoch nicht an der Innenseite des äußeren Rohres (25) an, sondern auf dem oberen Rand des eingeschobenen inneren Rohrs (26) auf. Es wird dadurch an einer weiteren Schwenkbewegung gehindert (Spalte 5, Zeilen 14 bis 21; Figur 5). Erst bei einem weiteren Ausfahren des inneren Rohres (26) gegenüber dem äußeren Rohr (25) bereits in der Stützstellung, erfolgt wie vorstehend ausgeführt ein Abstützen des Mitnehmerglieds (30) über dessen Abwinkelung (34) an der Innenseite des äußern Rohres (25) ohne dass jedoch eine Relativbewegung zwischen der Abwinkelung (34) und der Inennseite des äußeren Rohres (25) erfolgt. Die Innenseite des äußern Rohres (25) wird somit ausschließlich zur Anlage des Mitnehmerglieds (30) in der Stützstellung bei ausgefahrenem inneren Rohr (26) genutzt, während bei der Verschwenkbewegung der Hubstütze das Mitnehmerglied (30) auf der Oberseite des inneren Rohres (26) geführt wird. Eine Führung im Sinne einer gezielten translatorischen Bewegung des Mitnehmerglieds (30) an der Innenseite des äußeren Rohres (25) findet somit jedoch nicht statt.

Alle weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen gegenüber dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 in der verteidigten Fassung gemäß Hilfsantrag 1 weiter ab als der vorstehend berücksichtigte Stand der Technik. Sie zeigen insbesondere keine stangenförmige Umlenkstange, die gemäß Merkmal h) an der Innenseite eines äußeren Rohres geführt ist.

Der Gegenstand des geltenden Schutzanspruchs 1 gemäß Hilfsantrag 1 ist somit neu gegenüber dem im Verfahren befindlichen Stand der Technik.

II.2.3
Die Schutzansprüche nach Hilfsantrag 1 vom 8. Juni 2015 beruhen auf einem erfinderischen Schritt.

Wie vorstehend ausgeführt ist, geht aus keiner der Druckschriften D2 bis D10 eine stangenförmige Umlenkstange gemäß Merkmal h) hervor, die an der Innenseite des äußeren Rohres geführt ist. Somit kann eine wie auch immer ausgebildete Kombination der Druckschriften D2 bis D10 untereinander keine Anregung zu dem Gegenstand nach Schutzanspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 geben.

Die noch verbleibende Druckschrift D1 offenbart diesem entgegen zwar eine höhenverstellbare Hubstütze, welche eine Befestigung der dortigen Umlenkstange an dem inneren Rohr und hierüber eine Führung an der Innenseite des äußeren Roheres vorsieht, basiert jedoch aufgrund der zum teleskopieren bzw. verschwenken der Hubstütze verschiebbaren Stützachse der Umlenkstange sowie deren Befestigung an dem inneren Rohr auf einem Funktionsprinzip, welches sich von den Funktionsprinzipien der übrigen Druckschriften wesentlich unterscheidet.

Eine naheliegende Kombination der Druckschrift D1 mit einer der Druckschriften D2 bis D10 ist daher für den Senat nicht erkennbar und wurde von der Antragstellerin auch nicht vorgetragen.

III.
Im Umfang der teilweisen Zurückweisung der Beschwerde des Antragsgegners sind der Löschungsantrag und die zulässige Anschlussbeschwerde der Antragstellerin teilweise begründet. Soweit der Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster von Anfang an nur im Umfang der nachgereichten Schutzansprüche 1 bis 5 vom 25. September 2009 verteidigt hat, war das Streitgebrauchsmuster ohne Prüfung in der Sache insoweit zu löschen, als es in seiner eingetragenen Fassung über der Fassung der nachgereichten Schutzansprüche hinausgeht. Weiter war das Streitgebrauchsmuster in dem Umfang zu löschen, in dem es über den Gegenstand der Schutzansprüche nach dem Hilfsantrag vom 8. Juni 2015 hinausgeht. Der weitergehende Löschungsantrag und die weitergehende Anschlussbeschwerde der Antragstellerin waren dagegen als unbegründet zurückzuweisen, weil der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters in der Fassung des zuletzt genannten Hilfsantrages schutzfähig i. S. v. §§ 1 bis 3 GebrMG sind.

IV.
Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen. Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 18 Abs. 4 i. V. m. § 100 Abs. 2 Nr. 1 und 2 PatG hat die Antragstellerin nicht vorgetragen. Der Senat meint, dass diese Voraussetzungen auch nicht vorliegen, denn der Senat hat über keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung entschieden, § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG, und für die Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Zulassung der Rechtsbeschwerde ebenfalls nicht erforderlich, § 100 Abs. 2 Nr. 2 PatG.

V.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 18 Abs. 2 Satz 2 GebrMG i. V. m. § 84 Abs. 2 Satz 1 und 2 PatG und i. V. m § 92 Abs. 1 ZPO.

III.
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu unterzeichnen und beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einzureichen. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.