BGH: Zur wettbewerblichen Eigenart eines vormals patentrechtlich geschützten Produktes

veröffentlicht am 20. August 2015

BGH, Urteil vom 22.01.2015, Az. I ZR 107/13
§ 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG

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Bundesgerichtshof

Urteil

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2015 durch … für Recht erkannt:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 25. April 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 28. September 2011 teilweise abgeändert und die auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützten Klageanträge mit Ausnahme der Anträge zu I 2 und II 2 und der darauf bezogenen Auskunftsanträge abgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die in Österreich geschäftsansässige Klägerin stellt Vorrichtungen zur Befestigung von Kunststoffrohren und Leitungen für die Elektroinstallation her, die mittels einer besonderen Stecktechnik ohne weitere Hilfsmittel unmittelbar in einem Bohrloch verankert werden können. Diese Art der Befestigung wird durch besonders geformte Spreizelemente – sogenannte Exzenterzähne – an der Außenseite der Steckelemente ermöglicht, die bis zum Jahr 2004 durch ein Patent geschützt waren. Zum Stecktechniksortiment der Klägerin zählen unter anderem Klemmschellen, Doppelsteckschellen, Einzelsteckschellen und Klemmbügel.

Die Beklagte zu 1, deren Geschäftsführer der Beklagte zu 3 ist, war von 1984 bis Ende des Jahres 2009 exklusive Vertriebspartnerin der Klägerin in Deutschland; zu dieser Zeit war auch der Beklagte zu 2 Geschäftsführer der Beklagten zu 1. Die Beklagte zu 1 verkaufte 90% der Stecktechnikprodukte an verschiedene Großabnehmer, die die Produkte mit Einverständnis der Klägerin jeweils unter ihrem eigenen Namen an Elektroinstallateure vermarkteten; 10% der Produkte verkaufte die Beklagte zu 1 an den Elektrofachhandel.

Spätestens im September 2009 begann die Beklagte zu 1 mit der eigenen Fertigung von Stecktechnikprodukten, deren Vertrieb sie im Jahr 2010 aufnahm. Nachfolgend sind Abbildungen der Produkte der Klägerin und der Beklagten zu 1 (in ihrer im Laufe des Rechtsstreits modifizierten Form) einander gegenübergestellt:

[Abb.]

Die Klägerin hält die Erzeugnisse der Beklagten zu 1 für unlautere Nachahmungen ihrer Stecktechnikprodukte. Soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung, hat sie die Beklagten unter dem Gesichtspunkt des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes auf Unterlassung des Vertriebs der Befestigungsvorrichtungen der Beklagten zu 1 in Anspruch genommen. Ferner hat sie von den Beklagten zu 1 und 2 Auskunftserteilung und Rechnungslegung verlangt sowie die Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht begehrt.

Das Landgericht hat der Klage mit diesen Anträgen stattgegeben. Die Beklagten haben gegen diese Entscheidung Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der zugesprochenen Klageanträge erstrebt haben. Mit ihrer Anschlussberufung hat die Klägerin ihre ursprünglichen Klageanträge auf im Laufe des Rechtsstreits modifizierte Produkte der Beklagten zu 1 erweitert. Das Berufungsgericht hat auf die Berufung der Beklagten unter Zurückweisung der Anschlussberufung der Klägerin das landgerichtliche Urteil teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen (OLG Frankfurt am Main, GRUR-RR 2013, 394 = WRP 2013, 1069). Mit ihrer vom Senat insoweit zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre zweitinstanzlichen Anträge mit Ausnahme der auf ein Herstellen oder Herstellenlassen bezogenen Klageanträge zu I 2 und II 2 und der darauf bezogenen Auskunftsanträge weiter, soweit sie auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützt sind.

Entscheidungsgründe

I.
Das Berufungsgericht hat die auf wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gestützten Klageanträge als unbegründet angesehen, weil die angegriffenen Erzeugnisse keine unlauteren Nachahmungen der Stecktechnikprodukte der Klägerin seien. Dazu hat es ausgeführt:

Die Produkte der Parteien seien zwar nahezu identisch; die Erzeugnisse der Beklagten zu 1 wiesen – auch nach ihrer Modifikation – nur geringfügige, im Gesamteindruck unerhebliche Abweichungen von denen der Klägerin auf. Wegen der erheblichen Bekanntheit der Stecktechnikprodukte der Klägerin bei den angesprochenen Fachkreisen begründeten die Erzeugnisse der Beklagten zu 1 die Gefahr einer gewissen Herkunftstäuschung und profitierten jedenfalls vom Ruf der Produkte der Klägerin. Da die Erzeugnisse der Klägerin zu 90% über Großabnehmer unter deren – durchaus bekannten – eigenen Marken und ohne Nennung der Klägerin oder ihrer Marken vertrieben worden seien, sei aber bereits fraglich, ob sie über wettbewerbliche Eigenart verfügten. Jedenfalls sei eine möglicherweise hervorgerufene Herkunftstäuschung nicht vermeidbar und eine etwaige Rufausnutzung nicht unangemessen. Herkunfts- und Gütevorstellungen der angesprochenen Fachkreise knüpften allein an die Gestaltung der Steckelemente (der Dübel) und nicht an die Gestaltung der Befestigungselemente (der Schellen und Bügel) der Stecktechnikprodukte der Klägerin an. Die Übernahme von Gestaltungsmerkmalen der Steckelemente sei nach Ablauf des Patentschutzes mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich grundsätzlich nicht zu beanstanden. Zudem sei eine durch die Übernahme von Gestaltungsmerkmalen der Stecktechnikprodukte der Klägerin hervorgerufene Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht durch zumutbare Maßnahmen zu vermeiden, weil sich die Steckerzeugnisse der Beklagten zu 1 nicht mit einer deutlich erkennbaren Marke versehen ließen.

II.
Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, soweit dieses hinsichtlich der auf Wettbewerbsrecht gestützten Klageanträge zum Nachteil der Klägerin erkannt hat. Die Erwägungen, mit denen das Berufungsgericht die auf lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz gestützten Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagten auf Unterlassung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Schadensersatz verneint hat, halten auf der Grundlage der von ihm getroffenen Feststellungen der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1.
Der Vertrieb einer Nachahmung kann nach § 4 Nr. 9 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn das nachgeahmte Produkt wettbewerbliche Eigenart aufweist und besondere Umstände – wie eine vermeidbare Täuschung über die betriebliche Herkunft (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG) oder eine unangemessene Ausnutzung der Wertschätzung des nachgeahmten Produkts (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) – hinzutreten, aus denen die Unlauterkeit folgt. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart (dazu II 2), der Art und Weise und der Intensität der Übernahme (dazu II 3) sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen (dazu II 4). Je größer die wettbewerbliche Eigenart und je höher der Grad der Übernahme sind, desto geringere Anforderungen sind an die besonderen Umstände zu stellen, die die Unlauterkeit der Nachahmung begründen und umgekehrt (BGH, Urteil vom 28. Mai 2009 – I ZR 124/06, GRUR 2010, 80 Rn. 21 = WRP 2010, 94 – LIKEaBIKE; Urteil vom 24. Januar 2013 I ZR 136/11, GRUR 2013, 951 Rn. 14 = WRP 2013, 1188 Regalsystem; Urteil vom 17. Juli 2013 I ZR 21/12, GRUR 2013, 1052 Rn. 15 = WRP 2013, 1339 Einkaufswagen III).

2.
Ein Erzeugnis besitzt wettbewerbliche Eigenart, wenn die konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale des Erzeugnisses geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf seine betriebliche Herkunft oder seine Besonderheiten hinzuweisen (BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 23 – LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Rn. 19 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 18 – Einkaufswagen III).

a)
Das Berufungsgericht hat mit Recht angenommen, dass ein Erzeugnis keine wettbewerbliche Eigenart hat, wenn der angesprochene Verkehr die prägenden Gestaltungsmerkmale des Erzeugnisses nicht (mehr) einem bestimmten Hersteller oder einer bestimmten Ware zuordnet (vgl. Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 33. Aufl., § 4 Rn. 9.26). Für die wettbewerbliche Eigenart kommt es zwar nicht darauf an, ob der Verkehr den Hersteller der Ware namentlich kennt; erforderlich ist aber, dass der Verkehr annimmt, die Ware stamme von einem bestimmten Hersteller, wie auch immer dieser heißen möge, oder sei von einem mit diesem verbundenen Unternehmen in Verkehr gebracht worden (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 2005 – I ZR 151/02, GRUR 2006, 79 Rn. 36 = WRP 2006, 75 – Jeans I; Urteil vom 24. Mai 2007 – I ZR 104/04, GRUR 2007, 984 Rn. 23 und 32 = WRP 2007, 1455 – Gartenliege).

aa)
Das Berufungsgericht hat angenommen, der angesprochene Verkehr sehe in der Form der Erzeugnisse der Klägerin keinen Hinweis auf ihre Herkunft von einem bestimmten Hersteller. Die Produkte der Klägerin seien zu 90% über Großabnehmer verkauft worden, die die Produkte unter ihren eigenen – durchaus bekannten – Marken weitervertrieben hätten, ohne dabei die Klägerin oder ihre Marken zu nennen. Soweit der angesprochene Verkehr mit dieser besonderen Vermarktungsstrategie nicht vertraut sei, nehme er im Zweifel an, die ihm angebotenen Erzeugnisse stammten von unterschiedlichen Herstellern.

bb)
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten einer Nachprüfung nicht stand.

(1)
Das Berufungsgericht hat mit dem „angesprochenen Verkehr“ ersichtlich die Elektroinstallateure gemeint, die Stecktechnikprodukte der Klägerin von verschiedenen Großabnehmern der Beklagten zu 1 bezogen haben, die diese Produkte jeweils unter ihren eigenen Namen und Marken weitervertrieben haben. Werden die Produkte eines Herstellers in großem Umfang von verschiedenen Unternehmen jeweils unter eigener Kennzeichnung vertrieben, kann dies zwar dazu führen, dass ihre konkrete Gestaltung nicht geeignet ist, die angesprochenen Verkehrskreise auf einen bestimmten Hersteller hinzuweisen und damit ihre wettbewerbliche Eigenart zu begründen (vgl. BGH, GRUR 2007, 984 Rn. 25 f. – Gartenliege; OLG Köln, GRUR-RR 2014, 336, 338). Das Berufungsgericht hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Elektroinstallateure die von den Großabnehmern beim Weitervertrieb der Stecktechnikprodukte verwendeten Kennzeichnungen als Herstellerangaben oder als Handelsmarken angesehen haben (vgl. BGH, GRUR 2007, 984 Rn. 26 Gartenliege; Urteil vom 2. April 2009 I ZR 144/06, GRUR 2009, 1069 Rn. 16 bis 18 = WRP 2009, 1374 Knoblauchwürste).

Im letzteren Fall stünde der Umstand, dass die Produkte der Klägerin von verschiedenen Großabnehmern unter eigenen Namen und Marken weitervertrieben worden sind, nicht der Annahme entgegen, dass der angesprochene Verkehr in der Form dieser Produkte einen Hinweis auf ihre Herkunft von einem bestimmten Hersteller sieht.

(2)
Das Berufungsgericht hat darüber hinaus nicht berücksichtigt, dass zu dem angesprochenen Verkehr nicht nur die Endabnehmer, sondern auch die Abnehmer eines Produkts auf vorangegangenen Vertriebsstufen zählen. Zu dem angesprochenen Verkehr gehören im Streitfall daher auch die Großabnehmer, denen die von 1984 bis Ende des Jahres 2009 in Deutschland allein vertriebsberechtigte Beklagte zu 1 90% der Stecktechnikprodukte der Klägerin verkauft hat und an die die Beklagte zu 1 nunmehr ihre eigenen Produkte verkauft. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob diese Großabnehmer in der Gestaltung der Produkte der Klägerin einen Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen sehen.

b)
Das Berufungsgericht hat – im Zusammenhang mit der Prüfung der Vermeidbarkeit einer Herkunftstäuschung und der Unlauterkeit einer Rufausnutzung – angenommen, die Gestaltungsmerkmale der Befestigungsvorrichtungen der Klägerin könnten diesen Erzeugnissen keine wettbewerbliche Eigenart verleihen, weil sie technisch bedingt seien; dabei hat es zwischen dem Steckelement (dem – mit Exzenterzähnen versehenen – Dübel bzw. Schaft, mit dem die Befestigungsvorrichtung in einem Bohrloch verankert wird; dazu II 2 b bb) und den Befestigungselementen (den Schellen und Bügeln bzw. Schlaufen, Haken und Ankern, mit denen die Kunststoffrohre oder Leitungen für die Elektroinstallation befestigt werden; dazu II 2 b cc) unterschieden. Auch gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

aa)
Für die Beurteilung, ob technisch bedingte Merkmale einem Erzeugnis wettbewerbliche Eigenart verleihen, gelten nach der ständigen Rechtsprechung des Senats folgende Grundsätze (vgl. BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 27 LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Rn. 19 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 18 f. – Einkaufswagen III):

Technisch notwendige Merkmale – also solche, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen – können aus Rechtsgründen keine wettbewerbliche Eigenart begründen. Die Übernahme solcher – nicht oder nicht mehr unter Sonderrechtsschutz stehender – Gestaltungsmerkmale ist mit Rücksicht auf den Grundsatz des freien Stands der Technik wettbewerbsrechtlich nicht zu beanstanden.

Handelt es sich dagegen nicht um technisch notwendige Merkmale, sondern nur um solche, die zwar technisch bedingt, aber frei austauschbar sind, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind, können sie eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet.

Daneben kann eine Kombination einzelner technischer Gestaltungsmerkmale wettbewerbliche Eigenart begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen. Entsprechendes gilt für eine Kombination technischer und ästhetischer Merkmale der Formgestaltung. Sie kann gleichfalls die wettbewerbliche Eigenart eines Erzeugnisses begründen, selbst wenn die einzelnen Merkmale für sich genommen nicht geeignet sind, als Herkunftshinweis zu dienen.

bb)
Das Berufungsgericht hat angenommen, die Gestaltung des Steckelements könne dem Erzeugnis der Klägerin keine wettbewerbliche Eigenart verleihen. Das Steckelement sei Gegenstand des im Jahr 2004 abgelaufenen Patentschutzes gewesen. Zwar könne ein über viele Jahre mit Erfolg vertriebenes patentgeschütztes Erzeugnis beim angesprochenen Verkehr Herkunftsvorstellungen hervorrufen, die nach Ablauf des Patentschutzes bestehen blieben. Da der abgelaufene Patentschutz nicht über das Wettbewerbsrecht verlängert werden dürfe, könnten jedoch nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig seien. Deshalb könnten Herkunfts- oder Gütevorstellungen, die die angesprochenen Fachkreise den Erzeugnissen der Klägerin wegen der besonderen Gestaltung des Steckelements entgegenbrächten, keinen Schutz nach § 4 Nr. 9 UWG rechtfertigen. Erforderlich sei vielmehr, dass der Verkehr – jedenfalls auch – den Befestigungselementen eine Herkunftsfunktion beimesse. Diese Beurteilung hält der Nachprüfung nicht stand.

(1)
Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass einem patentgeschützten Erzeugnis nach dem Auslaufen des Patentschutzes wettbewerbliche Eigenart zukommen kann (vgl. BGH, Urteil vom 28. Januar 1988 – I ZR 34/86, GRUR 1988, 385, 386 f. = WRP 1988, 371 – Wäsche-Kennzeichnungsbänder). Es hat aber zu Unrecht angenommen, weil der abgelaufene Patentschutz nicht über das Wettbewerbsrecht verlängert werden dürfe, könnten nur solche Merkmale eines derartigen Erzeugnisses einen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz begründen, die von der patentierten technischen Lösung unabhängig seien (dem Berufungsgericht zustimmend Köhler in Köhler/Bornkamm aaO § 4 Rn. 9.77; MünchKomm.UWG/Wiebe, 2. Aufl., § 4 Nr. 9 Rn. 42).

(2)
Unter dem Gesichtspunkt, den nach Ablauf eines Sonderrechtsschutzes freien Stand der Technik für den Wettbewerb offenzuhalten, besteht keine Veranlassung, vom abgelaufenen Sonderrechtsschutz erfassten, technisch bedingten Merkmalen eines Erzeugnisses aus Rechtsgründen von vornherein die Eignung abzusprechen, auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen und dem Erzeugnis damit wettbewerbliche Eigenart zu verleihen. Der lauterkeitsrechtliche Nachahmungsschutz ist nach Schutzzweck, Voraussetzungen und Rechtsfolgen anders als die Sonderschutzrechte ausgestaltet. Ansprüche aus wettbewerbsrechtlichem Leistungsschutz wegen der Verwertung eines fremden Leistungsergebnisses können unabhängig vom Bestehen von Ansprüchen aus einem Schutzrecht gegeben sein, wenn besondere Begleitumstände vorliegen, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestands liegen (vgl. BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 19 – LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Rn. 20 – Regalsystem).

Auch ein ehemals patentrechtlich geschütztes Element eines Erzeugnisses (hier die mit Exzenterzähnen versehenen Steckelemente der Befestigungsvorrichtungen der Klägerin) kann diesem daher wettbewerbliche Eigenart verleihen, wenn die konkrete Gestaltung dieses Elements technisch nicht notwendig ist, sondern durch eine frei wählbare und austauschbare Gestaltung, die denselben technischen Zweck erfüllt, ersetzt werden kann, ohne dass damit Qualitätseinbußen verbunden sind. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, dass die konkrete Gestaltung des Steckelements der von der Klägerin hergestellten Befestigungsvorrichtungen technisch notwendig ist, um den damit verfolgten technischen Zweck zu erreichen. Es hat vielmehr – in anderem Zusammenhang – festgestellt, die in Anlage K 4 abgebildeten Klemmschellen anderer Hersteller wiesen in der Gestaltung des Dübels oder Schafts erhebliche Abweichungen zu den Klemmschellen der Klägerin auf. Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die Klägerin in den Vorinstanzen unter Hinweis auf Anlage K 4 vorgetragen hat, für die konkrete Gestaltung des Steckelements bestehe keine technische Notwendigkeit. Aus der nachfolgend wiedergegebenen Anlage K 4 ist zu ersehen, dass die Steckelemente solcher Befestigungsvorrichtungen tatsächlich ganz unterschiedlich gestaltet werden (oben ist die Klemmschelle der Klägerin, unten sind die Klemmschellen anderer Hersteller abgebildet):

cc)
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, es sei zweifelhaft, ob der Verkehr in den einzelnen Befestigungselementen einen Herkunftshinweis sehe. Form, Proportion, Krümmung und Winkel der Schlaufen, Haken und Anker seien maßgeblich durch deren technische Funktion vorgegeben, einzelne oder mehrere Elektroleitungen zu befestigen. Soweit ein Gestaltungsspielraum bestanden haben sollte, sei dieser nicht genutzt worden. Die Klägerin mache ohne Erfolg geltend, die Gegenüberstellung ihrer Klemmschelle und der Klemmschellen anderer Hersteller gemäß Anlage K 4 zeige erhebliche Unterschiede in der Gestaltung und verdeutliche damit, dass die einzelnen Merkmale frei wählbar und austauschbar seien. Die sich aus dieser Gegenüberstellung ergebenden Abweichungen bestünden gerade in der Gestaltung des Dübels (Schafts) und nicht in der Gestaltung des Befestigungselements in Form einer Schlaufe, die insoweit keine Besonderheiten aufweise. Jedenfalls sei weder konkret vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die angesprochenen Verkehrskreise gerade in den Befestigungselementen einen Herkunftshinweis sähen; vieles spreche dafür, dass für den Verkehr der Dübel als Wiedererkennungsmerkmal klar im Vordergrund stehe. Diese Beurteilung des Berufungsgerichts ist ebenfalls nicht frei von Rechtsfehlern.

(1)
Das Berufungsgericht hat nicht hinreichend berücksichtigt, dass technisch nicht notwendige, sondern technisch lediglich bedingte, aber ohne Qualitätseinbußen frei austauschbare Gestaltungsmerkmale eine wettbewerbliche Eigenart (mit)begründen können, sofern der Verkehr wegen dieser Merkmale auf die Herkunft der Erzeugnisse aus einem bestimmten Unternehmen Wert legt oder mit ihnen gewisse Qualitätserwartungen verbindet. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die konkrete Gestaltung der Befestigungselemente technisch notwendig ist. Es hat zwar ausgeführt, Form, Proportion, Krümmung und Winkel der Schlaufen, Haken und Anker seien maßgeblich durch deren technische Funktion vorgegeben, einzelne oder mehrere Elektroleitungen zu befestigen. Gleichwohl hat das Berufungsgericht einen gewissen, wenn auch begrenzten Gestaltungsspielraum für möglich gehalten.

(2)
Das Berufungsgericht hat ferner nicht hinreichend berücksichtigt, dass für die Beurteilung der wettbewerblichen Eigenart eines nachgeahmten Erzeugnisses sein Gesamteindruck maßgebend ist. Dieser Gesamteindruck kann durch technische Gestaltungsmerkmale bestimmt oder mitbestimmt werden, die zwar nicht für sich genommen, aber in ihrer Kombination geeignet sind, im Verkehr auf die Herkunft des nachgeahmten Erzeugnisses aus einem bestimmten Unternehmen hinzuweisen (BGH, GRUR 2010, 80, Rn. 34 – LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Rn. 19 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 19 Einkaufswagen III). Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob die Befestigungselemente in ihrer Kombination mit den Steckelementen den Befestigungsvorrichtungen der Klägerin wettbewerbliche Eigenart verleihen. Die Klägerin hat vorgebracht, der angesprochene Verkehr entnehme dem Zusammenspiel der Proportionen, Winkel und Krümmungen der miteinander kombinierten Teilelemente einen Hinweis auf einen bestimmten Hersteller.

c)
Mangels rechtsfehlerfreier anderweitiger Feststellungen des Berufungsgerichts ist für die weitere Nachprüfung in der Revisionsinstanz zugunsten der Klägerin davon auszugehen, dass ihren Stecktechnikprodukten wettbewerbliche Eigenart zukommt. Das Berufungsgericht hat – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – keine Feststellungen zum Grad der wettbewerblichen Eigenart der Erzeugnisse der Klägerin getroffen. Der Grad der wettbewerblichen Eigenart eines Produkts kann durch seine tatsächliche Bekanntheit im Verkehr verstärkt werden (vgl. BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 37 – LIKEaBIKE; GRUR 2013, 951 Rn. 27 – Regalsystem; GRUR 2013, 1052 Rn. 24 – Einkaufswagen III). Das Berufungsgericht hat in anderem Zusammenhang festgestellt, dass die Erzeugnisse der Klägerin aufgrund ihres jahrelangen umfangreichen Vertriebs bei den angesprochenen Verkehrskreisen über eine erhebliche Bekanntheit verfügen. Dagegen erinnert die Revisionserwiderung nichts; Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Für die Revisionsinstanz ist deshalb davon auszugehen, dass die Produkte der Klägerin eine hohe wettbewerbliche Eigenart haben.

3.
Hinsichtlich der Intensität der Übernahme hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte zu 1 habe die Befestigungsvorrichtungen der Klägerin nahezu identisch nachgeahmt. Es ist davon ausgegangen, dass sowohl die ursprünglichen als auch die im Laufe des Rechtsstreits modifizierten Produkte der Beklagten zu 1 nur geringfügige, im Gesamteindruck unerhebliche Abweichungen von den Erzeugnissen der Klägerin aufweisen. Diese tatrichterliche Würdigung wird von der Revisionserwiderung hingenommen und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

4.
Das Berufungsgericht hat angenommen, angesichts der erheblichen Bekanntheit der Stecktechnikprodukte der Klägerin und der nahezu identischen Nachahmungen gehe von den Befestigungsvorrichtungen der Beklagten zu 1 die Gefahr einer gewissen Herkunftstäuschung aus; jedenfalls profitiere die Beklagte zu 1 vom Ruf der Erzeugnisse der Klägerin. Für die weitere Nachprüfung in der Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, dass der Vertrieb der Erzeugnisse der Beklagten zu 1 zu einer Herkunftstäuschung (§ 4 Nr. 9 Buchst. a UWG) und einer Rufausnutzung (§ 4 Nr. 9 Buchst. b UWG) führt. Das Berufungsgericht hat die Nachahmungen dennoch nicht als unlauter angesehen, weil eine mögliche Herkunftstäuschung nicht zu vermeiden und eine etwaige Rufausnutzung nicht unangemessen seien. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Revision mit Erfolg.

a)
Das Berufungsgericht hat angenommen, Herkunfts- und Gütevorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise, die an die Gestaltung des vormals unter Sonderrechtsschutz stehenden Steckelements anknüpften, seien nicht schutzwürdig, weil die sich darin verkörpernde technische Lösung nach Ablauf des Patentschutzes freier Stand der Technik sei. Mit den Befestigungselementen verbinde der angesprochene Verkehr dagegen keine Herkunfts- oder Gütevorstellungen. Diese Beurteilung beruht auf der rechtsfehlerhaften Annahme, die Gestaltungsmerkmale der Befestigungsvorrichtungen der Klägerin könnten diesen Erzeugnissen nicht die für einen lauterkeitsrechtlichen Nachahmungsschutz erforderliche wettbewerbliche Eigenart verleihen (vgl. Rn. 10 bis 28).

b)
Im Blick auf eine mögliche Herkunftstäuschung hat das Berufungsgericht außerdem angenommen, eine durch die Übernahme herkunftshinweisender Merkmale hervorgerufene Gefahr einer Herkunftstäuschung sei nicht durch zumutbare Maßnahmen zu vermeiden, weil sich die Befestigungsvorrichtungen der Beklagten zu 1 nicht mit einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung versehen ließen. Mit dieser Erwägung lässt sich die Unvermeidbarkeit einer Herkunftstäuschung im Streitfall nicht begründen.

aa)
Eine Herkunftstäuschung ist vermeidbar, wenn sie durch geeignete und zumutbare Maßnahmen verhindert werden kann. Ob und welche Maßnahmen Wettbewerbern zur Verhinderung einer Herkunftstäuschung zugemutet werden können, ist anhand einer umfassenden Interessenabwägung zu beurteilen. Bei dieser Abwägung sind unter anderem das Interesse des Herstellers des Originalerzeugnisses an der Vermeidung einer Herkunftstäuschung, das Interesse der Wettbewerber an der Nutzung nicht unter Sonderrechtsschutz stehender Gestaltungselemente sowie das Interesse der Abnehmer an einem Preis- und Leistungswettbewerb zwischen unterschiedlichen Anbietern zu berücksichtigen (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 35 f. – Regalsystem, mwN).

Dabei ist zu beachten, dass es Wettbewerbern mit Rücksicht auf ästhetische Gestaltungsmerkmale des Originalerzeugnisses, mit denen die angesprochenen Verkehrskreise Herkunftsvorstellungen verbinden, in aller Regel möglich und zumutbar ist, auf andere Gestaltungsformen auszuweichen, um einen ausreichenden Abstand zum Original zu wahren (vgl. BGH, GRUR 2013, 951 Rn. 38 – Regalsystem).

Dagegen kann die Übernahme von Merkmalen, die mangels Sonderrechtsschutzes dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und unter Berücksichtigung des Gebrauchszwecks, der Verkäuflichkeit der Ware sowie der Verbrauchererwartung der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Wettbewerbern ist es regelmäßig nicht zuzumuten, auf eine angemessene technische Lösung zu verzichten, um die Gefahr einer Herkunftstäuschung zu vermeiden. Dagegen kann es ihnen zuzumuten sein, dieser Gefahr durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegenzuwirken (Urteil vom 12. Mai 2011 – I ZR 53/10, GRUR 2012, 58 Rn. 46 Seilzirkus, mwN).

bb)
Bei einer (nahezu) identischen Nachahmung gilt allerdings im Hinblick auf die Zulässigkeit der Übernahme von Merkmalen, die dem freien Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, ein strengerer Maßstab als bei einem geringeren Grad der Übernahme (BGH, GRUR 2010, 80 Rn. 27 – LIKEaBIKE; Urteil vom 22. März 2012 I ZR 21/11, GRUR 2012, 1155 Rn. 39 = WRP 2012, 1379 – Sandmalkasten). Bei einer (nahezu) identischen Übernahme kann sich der Nachahmer grundsätzlich nicht darauf berufen, er habe lediglich eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende angemessene technische Lösung übernommen (vgl. BGH, Urteil vom 23. Januar 1981 – I ZR 48/79, GRUR 1981, 517, 519 = WRP 1981, 514 – Rollhocker; Urteil vom 17. Juni 1999 – I ZR 213/96, GRUR 1999, 1106, 1108 = WRP 1999, 1031 Rollstuhlnachbau; Urteil vom 12. Juli 2001 – I ZR 40/99, GRUR 2002, 86, 90 = WRP 2001, 1294 – Laubhefter; BGH, GRUR 2007, 984 Rn. 35 f. – Gartenliege; BGH, Urteil vom 2. April 2009 – I ZR 199/06, GRUR 2009, 1073 Rn. 15 = WRP 2009, 1372 – Ausbeinmesser). Würde die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung führen, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er der Gefahr einer Herkunftstäuschung nicht auf andere Weise – etwa durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung seiner Produkte – entgegenwirken kann.

cc)
Die Beklagte zu 1 hat die Befestigungsvorrichtungen der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nahezu identisch nachgeahmt. Nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte zu 1 einer dadurch begründeten Gefahr einer Herkunftstäuschung durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegengewirkt hat oder entgegenwirken könnte. Die Befestigungsvorrichtungen der Beklagten zu 1 lassen sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht mit einer deutlich sichtbaren Kennzeichnung versehen. Die Beklagte zu 1 verwendet nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auf den Verpackungen ihrer Produkte und in der Werbung zwar ihre eigene Marke. Das Berufungsgericht hat aber nicht festgestellt, dass dadurch eine Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die Herkunft der Produkte ausgeschlossen wird.

Der Beklagten zu 1 ist es im Falle einer anders nicht zu vermeidenden Herkunftstäuschung zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagten zu 1 andere angemessene technische Lösungen zur Verfügung stehen. Die Klägerin hat unter Hinweis auf die Produkte anderer Hersteller vorgebracht, die Befestigungsvorrichtungen der Beklagten zu 1 könnten hinsichtlich der Spreizelemente ohne Einbußen an ihrer technischen Funktion optisch deutlich anders als die Stecktechnikprodukte der Klägerin gestaltet werden.

c)
Entsprechendes gilt für die – vom Berufungsgericht nicht weiter geprüfte – Unangemessenheit einer Rufausnutzung.

aa)
Eine unlautere Rufausnutzung kann allerdings nicht nur auf einer Täuschung der angesprochenen Verkehrskreise über die betriebliche Herkunft des nachahmenden Erzeugnisses, sondern auch auf einer Anlehnung an die fremde Leistung beruhen, die eine erkennbare Bezugnahme auf den Mitbewerber oder seine Produkte erfordert. Die Frage, ob hierdurch eine Gütevorstellung im Sinne von § 4 Nr. 9 Buchst. b UWG unangemessen ausgenutzt wird, ist jeweils im Wege einer Gesamtwürdigung zu beantworten, bei der alle relevanten Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Grad der Anlehnung sowie die Stärke des Rufs des nachgeahmten Produkts, zu berücksichtigen sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 38 – Einkaufswagen III, mwN).

Die Übernahme von Merkmalen, die dem freizuhaltenden Stand der Technik angehören und der angemessenen Lösung einer technischen Aufgabe dienen, kann zwar unter dem Gesichtspunkt der Rufausnutzung grundsätzlich nicht als wettbewerbsrechtlich unlauter angesehen werden. Auch insoweit gilt jedoch bei einer (nahezu) identischen Nachahmung ein strenger Maßstab. Würde die Übernahme solcher Merkmale zu einer (nahezu) identischen Nachahmung führen, ist es einem Wettbewerber regelmäßig zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen, wenn er einer Rufausnutzung nicht auf andere Weise entgegenwirken kann. So kann ein Wettbewerber, der nach Ablauf eines Patentschutzes des Originalherstellers in dessen Markt eindringt, eine Rufausbeutung etwa dadurch vermeiden, dass er die angesprochenen Verkehrskreise durch eine gegenüber dem Original unterscheidbare Kennzeichnung unmissverständlich darüber informiert, dass sich das nachgeahmte Produkt vom Original unterscheidet (vgl. BGH, GRUR 2013, 1052 Rn. 38 – Einkaufswagen III, mwN).

bb)
Nach den vom Berufungsgericht bislang getroffenen Feststellungen kann nicht angenommen werden, dass die Beklagte zu 1 einer durch die nahezu identische Nachahmung der Erzeugnisse der Klägerin bewirkten Rufausnutzung durch eine (unterscheidende) Kennzeichnung ihrer Produkte entgegengewirkt hat oder entgegenwirken könnte. Der Beklagten zu 1 ist es im Falle einer ansonsten eintretenden Rufausnutzung zuzumuten, auf eine andere angemessene technische Lösung auszuweichen. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Beklagten zu 1 andere angemessene technische Lösungen zur Verfügung stehen.

III.
Das angegriffene Urteil ist daher im Kostenpunkt und insoweit aufzuheben, als das Berufungsgericht die auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb gestützten Klageanträge mit Ausnahme der auf ein Herstellen oder Herstellenlassen bezogenen Klageanträge zu I 2 und II 2 und der darauf bezogenen Auskunftsanträge abgewiesen hat. Insoweit ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO). Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil sie insoweit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

Das Berufungsgericht wird im wiedereröffneten Berufungsrechtszug die notwendigen Feststellungen zur wettbewerblichen Eigenart der Stecktechnikprodukte der Klägerin und ihrer möglichen Steigerung aufgrund der Bekanntheit der Erzeugnisse zu treffen haben. Ferner wird es festzustellen haben, ob aufgrund des nahezu identischen Gesamteindrucks der Produkte der Klägerin und der Beklagten zu 1 die Abnehmer dieser Produkte unter Einbeziehung ihrer Kenntnisse über die Parteien und die von ihnen verwendeten Kennzeichen einer Herkunftstäuschung unterliegen oder ihre Wertschätzung der Erzeugnisse der Klägerin auf die Produkte der Beklagten zu 1 übertragen; dabei wird zwischen den Großabnehmern (vgl. oben Rn. 15) und den Endabnehmern zu unterscheiden sein. Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob die Kennzeichen, die die Beklagte zu 1 auf den Verpackungen ihrer Produkte anbringt und in ihrer Werbung benutzt, die Gefahr von Herkunftstäuschungen oder Rufausnutzungen ausschließen, oder ob einer solchen Gefahr durch eine geänderte, die technische Funktionalität wahrende Gestaltung der angegriffenen Produkte entgegenzuwirken ist.

Sofern das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die angegriffenen Produkte der Beklagten zu 1 nach § 4 Nr. 9 Buchst. a oder b UWG unlautere Nachahmungen der Erzeugnisse der Klägerin darstellen, wird es weitere Feststellungen zur Haftung der Beklagten zu 2 und 3 zu treffen haben. Der Senat hat – nach Erlass des Berufungsurteils – entschieden, dass ein Geschäftsführer für unlautere Wettbewerbshandlungen der von ihm vertretenen Gesellschaft nur dann persönlich haftet, wenn er daran entweder durch positives Tun beteiligt war oder wenn er die Wettbewerbsverstöße aufgrund einer nach allgemeinen Grundsätzen des Deliktsrechts begründeten Garantenstellung hätte verhindern müssen (BGH, Urteil vom 18. Juni 2014 – I ZR 242/12, BGHZ 201, 344 Rn. 17 – Geschäftsführerhaftung, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Allerdings kann bei einer Maßnahme der Gesellschaft, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird, nach dem äußeren Erscheinungsbild und mangels abweichender Feststellungen davon ausgegangen werden, dass sie von den Geschäftsführern veranlasst worden ist (vgl. BGHZ 201, 344 Rn. 19 – Geschäftsführerhaftung). Von einem solchen typischen Geschehensablauf ist vorliegend auszugehen, sofern sich nicht noch gegenteilige Anhaltspunkte ergeben. Im Streitfall ist ein Produktsortiment betroffen, das die Beklagte zu 1 über 25 Jahre in Deutschland exklusiv vertrieben hat. Über die Aufnahme des Vertriebs einer eigenen Produktpalette durch die Beklagte zu 1 und die Produktgestaltung wird typischerweise auf Geschäftsleitungsebene entschieden. Soweit der Beklagte zu 2 danach als Geschäftsführer haftet, sind gegen ihn bestehende Ansprüche auf Auskunftserteilung und Rechnungslegung mit seinem Ausscheiden aus der Geschäftsleitung nicht erloschen (vgl. BGH, Urteil vom 2. Oktober 2012 I ZR 82/11, GRUR 2013, 638 Rn. 69 = WRP 2013, 785 – Völkl, mwN).

Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 28.09.2011, Az. 2-6 O 591/10
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 25.04.2013, Az. 6 U 204/11