BPatG: Zu den Anforderungen an technische Zeichnungen für Gebrauchsmuster

veröffentlicht am 26. November 2015

BPatG, Beschluss vom 27.10.2015, Az. 35 W (pat) 10/15
§ 8 Abs. 1 GebrMG, § 4 Abs. 4 GebrMG; § 4 Abs. 4 Nr. 5 GebrMV, § 7 Abs. 6 GebrMV

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Bundespatentgericht

Beschluss

In der Beschwerdesache

betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 20 2014 004 157.1

hat der 35. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 27. Oktober 2015 unter Mitwirkung der … beschlossen:

1.
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Gebrauchsmusterstelle des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Januar 2015 aufgehoben und die Sache zur weiteren Bearbeitung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.
Der Anmelder und Beschwerdeführer hat am 20. Mai 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) die Eintragung eines Gebrauchsmusters mit der Bezeichnung

„Multifunktions-Haltesystem zum Arretieren von Särgen, Tragen, Tragfahrgestellen für Bestattungsfahrzeuge“

beantragt und dazu als Zeichnungen ein Blatt mit drei Skizzen eingereicht, die u. a. wenige knappe Erläuterungen enthielten. In der Beschreibung und in den Schutzansprüchen wird auf Zeichnungen nicht Bezug genommen.

Die elektronisch geführte Akte des DPMA enthält den Text eines Bescheides der Gebrauchsmusterstelle vom 25. August 2014. Darin wird gerügt, dass die Zeichnungen nicht den Anforderungen entsprächen, wie sie in der Gebrauchsmusterverordnung (§§ 4 und 7) festgelegt sind. Danach dürften Zeichnungen keine Erläuterungen enthalten und müssten in schwarzen Linien klar und konturenscharf ausgeführt werden.

Angaben darüber, wie dieser Text dem Anmelder zugestellt werden sollte, enthält der Text nicht. Solche Angaben lassen sich auch sonst der patentamtlichen Akte nicht entnehmen. Belege darüber, dass dieser Text dem Anmelder zugegangen wäre, lassen sich der patentamtlichen Akte nicht entnehmen. Der Anmelder bestreitet den Zugang und trägt vor, er habe auf eigene Anfrage hin diesen Text vom Patentamt erst erhalten, nachdem seine Anmeldung unter Bezugnahme auf den Text vom 25. August 2014 zurückgewiesen worden war.

Mit Bescheid vom 16. September 2014 hat die Gebrauchsmusterstelle den Anmelder darauf hingewiesen, dass er zusammen mit der Anmeldegebühr weitere 250,00 € ohne Angabe des Verwendungszweckes eingezahlt hatte. Gleichzeitig forderte die Gebrauchsmusterstelle den Anmelder dazu auf, den Verwendungszweck für diese Zahlung binnen 2 Wochen mitzuteilen.

Mit Bescheid vom 4. November 2014 forderte die Gebrauchsmusterstelle den Anmelder dazu auf, den Bescheid vom 16. September 2014 binnen eines Monats zu erledigen. Andernfalls müsse der Anmelder mit der Zurückweisung seiner Anmeldung rechnen. Mit Schreiben vom 17. November 2014 hat der Anmelder der Gebrauchsmusterstelle mitgeteilt, dass der Betrag von 250,00 € für eine Recherche gezahlt worden sei.

Mit Beschluss mit Erstellungsdatum vom 14. Januar 2015 hat die Gebrauchsmusterstelle die Anmeldung zurückgewiesen mit der Begründung, dass die im Bescheid vom 25. August 2014 angegebenen Mängel nicht beseitigt worden wären. Im Übersendungsschreiben für diesen Beschluss, ebenfalls mit Erstellungsdatum vom 14. Januar 2015, wird als Zustellungsform „Empfangsbekenntnis“ angegeben. Ein solches Empfangsbekenntnis lässt sich in der patentamtlichen Akte nicht feststellen. Der Anmelder hat dazu vorgetragen, dass ihm der Beschluss am 19. Januar 2015 zugegangen sei.

Der Anmelder hat am 18. Februar 2015 beim DPMA Beschwerde gegen den Beschluss der Gebrauchsmusterstelle mit Erstellungsdatum vom 14. Januar 2015 eingelegt und mit seiner Beschwerdeschrift zwei Blätter mit insgesamt drei neuen Zeichnungen eingereicht, mit denen seiner Auffassung nach die Beanstandungen ausgeräumt seien. Der Beschwerdeführer macht geltend, dass ihm die Beanstandung vom 25. August 2014 nicht zugegangen sei. Erst nachdem er den Beschluss mit Erstellungsdatum vom 14. Januar 2015 erhalten hatte, hätte er das Patentamt telefonisch um Übersendung des Bescheides vom 25. August 2014 gebeten, das ihm daraufhin den Text per E-Mail übersandt hätte.

Die Gebrauchsmusterstelle hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2015 wurde der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die mit der Beschwerde neu eingereichten Zeichnungen Linien und Ausfüllungen enthalten, als seien sie freihändig mit Bleistift in die Zeichnungen eingetragen worden. Mit Eingabe vom 27. Juli 2015 hat der Beschwerdeführer zwei neue konturenscharfe Zeichnungen eingereicht.

Mit Schreiben vom 2. Juli 2015 und vom 10. September 2015 wurde der Beschwerdeführer außerdem darauf hingewiesen, dass der Senat nach vorläufiger Prüfung in den neuen Zeichnungen auch eine unzulässige Erweiterung sieht (§ 8 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 4 Abs. 5 GebrMG).

Mit Eingabe vom 5. Oktober 2015 reichte der Beschwerdeführer zwei neue konturenscharfe Zeichnungen ein, bei denen die Schraube mit dem Führungsschlitz nicht mehr vorhanden sind, in denen der Senat gemäß Schreiben vom 10. September 2015 eine unzulässige Erweiterung sah.

Für die weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verfahrensakten beider Instanzenzüge.

II.

1.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders hat Erfolg. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur weiteren Bearbeitung an das DPMA zurückverwiesen.

Nachdem mit Eingabe vom 5. Oktober 2015 zwei Blätter mit insgesamt drei neuen Zeichnungen eingereicht wurden, ist der Zurückweisungsbeschluss vom 14. Januar 2014 aufzuheben, da die gerügten Mängel nicht mehr vorliegen. Die neuen Zeichnungen, die eingereicht wurden, um die beanstandenden Mängel zu beheben, treten an Stelle der alten Skizzen mit den unscharfen Konturen bzw. den mit der Beschwerde bzw. mit der Eingabe vom 27. Juli 2015 eingereichten Zeichnungen.

Die nunmehr eingereichten Zeichnungen genügen den Anforderungen gemäß § 8 Abs. 1, § 4 Abs. 4 GebrMG i. V. m. § 4 Abs. 4 Nr. 5 und § 7 Abs. 6 GebrMV. Die Linien sind konturenscharf und die Zeichnungen enthalten auch keine Erläuterungen mehr. Da in den Schutzansprüchen und in der Beschreibung vorliegend keine Bezugnahme auf Zeichnungen vorhanden ist, kann eine bis zur Eintragungsverfügung zulässige Einreichung von Zeichnungen (vgl. Benkard, Patentgesetz, 10. Aufl., § 4 GebrMG Rdnr. 26) auch nicht zu einem neuen Anmeldetag gemäß § 4a Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 3 GebrMG führen. Die im Schreiben vom 10. September 2015 beanstandete Schraube mit der Führungsschiene ist ebenfalls nicht mehr in den Zeichnungen vorhanden.

Nachdem der Zurückweisungsbeschluss aufzuheben ist, wird das Verfahren zur Fortsetzung des Eintragungsverfahrens an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

2.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 GebrMG i. V. m. § 80 Abs. 3 PatG kann die Rückzahlung der Beschwerdegebühr ausnahmsweise angeordnet werden, nämlich wenn dies der Billigkeit entspricht. Dies ist hier der Fall.

Die Anmeldung wurde mit der Begründung zurückgewiesen, dass die im Bescheid vom 25. August 2014 angegebenen Mängel nicht beseitigt worden wären. Da der Zugang des Beanstandungsbescheids vom 25. August 2014 vor der Beschlussfassung bestritten und auch nicht nachweisbar ist, wurde durch den Zurückweisungsbeschluss das rechtliche Gehör des Beschwerdeführers verletzt. Außerdem konnte der Beschwerdeführer bei Erhalt des angefochtenen Beschlusses nicht die Gründe der Zurückweisung erkennen, da ihm der Bescheid, auf den im Beschluss Bezug genommen worden ist, vorher nicht zuging. Auch der Bescheid des Amtes vom 4. November 2014, der eine Zurückweisung der Anmeldung androhte, enthielt keinen Hinweis auf den Beanstandungsbescheid vom 25. August 2014. Aus Versehen war dort nämlich der Bescheid vom 4. November 2014 angegeben, der lediglich eine Zahlung ohne Verwendungszweck betraf. Da der Anmelder erst durch den Beschluss auf den zu behebenden Fehler hingewiesen wurde, war er gezwungen Beschwerde einzulegen, um seine Rechte geltend machen zu können. Unter diesen Umständen entspricht es der Billigkeit, die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.

III.
Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich einzulegen.