BPatG, Beschluss vom 16.07.2015, Az. 8 W (pat) 10/06
§ 123 Abs. 2 PatG, § 134 PatG
Eine Zusammenfassung dieser Entscheidung des Bundespatentgerichts finden Sie hier. Den Volltext des Beschlusses finden Sie im Folgenden:
Bundespatentgericht
Beschluss
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung …
…
hat der 8. Senat (Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 16.07.2015 durch … beschlossen:
1.
Der Antrag des Anmelders auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird als unzulässig verworfen.
2.
Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse A01B des Deutschen Patent- und Markenamts vom 04.10.2005 gilt als nicht eingelegt.
Gründe
I.
Der Anmelder hat am 28. Januar 1997 eine Erfindung mit der Bezeichnung „… “ beim Deutschen Patent- und Markenamt zur Eintragung unter dem Aktenzeichen … angemeldet. Das Patentamt hat am 8. Februar 2000 und sodann am 25. November 2002 zwei Zwischenbescheide erlassen, in denen es die Patentfähigkeit des Patentanspruchs wegen fehlender Neuheit beanstandet hat. Mit weiterem Zwischenbescheid vom 27. April 2005 hat das Patentamt auf die mangelnde Patentfähigkeit wegen fehlender erfinderischer Tätigkeit des mit Schriftsatz des Anmelders vom 30. Juli 2003 eingereichten neuen Hauptanspruchs hingewiesen und dem Anmelder eine Äußerungsfrist, die nochmals verlängert worden ist, gewährt. Mit Beschluss vom 4. Oktober 2005, dem eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt war, hat die Prüfungsstelle für Klasse A01B aus den Gründen des Bescheides vom 27. April 2005 die Patentanmeldung zurückgewiesen. Der Beschluss ist laut Vermerk der Dokumentenversandstelle des Patentamts am 7. Oktober 2005 an den Anmelder abgesandt worden.
Mit Schriftsatz vom 20. Januar 2006, der am 7. Februar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist, hat der Anmelder Beschwerde eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der versäumten Frist zur Beschwerdeeinlegung und der versäumten Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt. Wegen der Entrichtung der Beschwerdegebühr hat der Anmelder Verfahrenskostenhilfe beantragt. Den Wiedereinsetzungsantrag hat er mit seiner am 29. Juni 2005 nicht vorhersehbaren, überraschenden, schweren, langandauernden Krankheit, die bis zum 3. Januar 2006 angedauert habe, begründet und zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung vom 20. Januar 2006 vorgelegt. Des Weiteren hat der Anmelder ein ausgefülltes Formblatt zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen eingereicht, dem er eine eidesstattliche Versicherung vom 20. Januar 2006 sowie einen Steuerbescheid des Finanzamts … vom 15. Dezember 2004 für das Jahr 2002 beigefügt hat.
Mit Senatsverfügung vom 29. Januar/4. Februar 2015 ist der Anmelder mit Äußerungsfrist von zwei Monaten darauf hingewiesen worden, dass nach vorläufiger Auffassung des Senats sein Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zu verwerfen sein und seine Beschwerde gemäß § 6 Abs. 2 PatKostG als nicht eingelegt gelten dürfte. Seinem mit Schriftsatz vom 19. März 2014 gestellten Antrag auf Aussetzung des Verfahrens sei wegen Nichtvorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen nicht zu entsprechen. Zugleich ist der Anmelder, der nach eigenen Angaben aufgrund … ist, aufgefordert worden, eine zustellungsfähige Wohnanschrift oder einen Zustellungsbevollmächtigten anzugeben. Zuvor war eine Anfrage des Gerichts beim Einwohnermeldeamt von … ergebnislos verlaufen; das Amt hatte mitgeteilt, dass der Anmelder von Amts wegen am 13. März 2014 nach unbekannt abgemeldet worden sei. Auf entsprechenden Antrag ist dem Anmelder Akteneinsicht und antragsgemäß Fristverlängerung zur Stellungnahme auf die Senatshinweise vom 29. Januar/4. Februar 2015 gewährt worden.
Der Anmelder hält den Wiedereinsetzungsantrag, der seiner Meinung nach den Anforderungen nach § 123 Abs. 2 PatG entspricht, für zulässig. Die versäumte Handlung habe er nachgeholt. Mit seinem rechtzeitig, nämlich vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist, und auch ordnungsgemäß gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag sei die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr nach § 134 PatG gehemmt worden. Schriftliche Belege über Bruttoeinnahmen habe er niemals erhalten, … Der von ihm vorgelegte Steuerbescheid, in dem fälschlicherweise Einkünfte von … Euro ausgewiesen worden seien – tatsächlich habe er weder Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft noch aus selbständiger Arbeit gehabt -, belege eine Steuerforderung von … Euro. Im Übrigen handele es sich in Bezug auf seine Bedürftigkeit um eine offenkundige Tatsache i. S. d. § 291 ZPO. Mit Schriftsatz vom 27. April 2015 beantragt er nochmals, ihm mangels finanzieller Mittel für die zu entrichtende Beschwerdegebühr Verfahrenskostenhilfe zu gewähren. Des Weiteren beantragt er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Teilung der vorliegenden Patentanmeldung, sollte der Senat seinen Anträgen und der Beschwerde nicht stattgeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss des Patentamts sowie auf die Schriftsätze des Anmelders und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde des Anmelders gilt als nicht eingelegt, weil er die Beschwerdegebühr nicht rechtzeitig eingezahlt hat und sein insoweit gestellter Wiedereinsetzungsantrag als unzulässig zu verwerfen ist.
1.
Gegen den Beschluss des Patentamts ist nach § 73 Abs. 1 PatG die Beschwerde statthaft. Die Beschwerdefrist beträgt gemäß § 73 Abs. 2 PatG einen Monat ab dem maßgeblichen Zustelldatum. Die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 Euro ist ebenfalls binnen eines Monats ab Zustellung des angefochtenen Beschlusses einzuzahlen, § 73 Abs. 2 PatG i. V. m. § 6 Abs. 1 Satz 1 PatkostG i. V. m. Nr. 401 300 GebVerz. zu § 2 Abs. 1 PatKostG.
Die Beschwerdefrist von einem Monat nach § 73 Abs. 2 Satz 1 PatG sowie die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 222 ZPO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB – der Zustellungstag wird nicht mitgerechnet – hat am 11. Oktober 2005 zu laufen begonnen. Der angefochtene Beschluss vom 4. Oktober 2005 ist laut Vermerk des Dokumentenversands des Patentamts am 7. Oktober 2005 an den Anmelder versandt worden und gilt damit gemäß § 127 PatG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2 VwZG am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als zugestellt, also am 10. Oktober 2005. Die Beschwerdefrist und Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr ist gemäß § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 222 ZPO i. V. m. § 188 Abs. 2 BGB am 10. November 2005 abgelaufen. Innerhalb dieser Frist ist weder eine Beschwerdeschrift noch die Zahlung einer Beschwerdegebühr eingegangen.
2.
Dem Anmelder kann auch wegen der Versäumung der Zahlung der Beschwerdegebühr nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 123 PatG gewährt werden. Sein am 7. Februar 2006 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangener Wiedereinsetzungsantrag ist nämlich bereits unzulässig. Zwar hat der Anmelder durch Einreichung des Schriftsatzes vom 20. Januar 2006 innerhalb der Antragsfrist des § 123 Abs. 2 PatG die versäumte Handlung der Beschwerdeeinlegung nachgeholt, aber nicht die der Zahlung der Beschwerdegebühr bzw. nicht die der Einreichung eines ordnungsgemäßen Verfahrenskostenhilfeantrag, mit dem die Zahlungsfrist für die Beschwerdegebühr nach § 134 PatG hätte gehemmt werden können. Denn nur ein rechtzeitig und ordnungsgemäß gestellter Verfahrenskostenhilfeantrag, der die notwendigen Angaben über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse enthält, genügt zur Wahrung der Frist des Antrags in der Hauptsache und bildet die Grundlage für eine Wiedereinsetzung (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 123 Rn. 149 mit Rechtsprechungsnachweisen, vgl. BGH BlPMZ 2000, 113 – Verfahrenskostenhilfe). Der Anmelder hat vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist nach § 123 Abs. 2 Satz PatG nicht die den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Belege für die Bewilligung einer Verfahrenskostenhilfe eingereicht. Die von ihm vorgelegten Unterlagen genügen diesen Anforderungen nicht. Die Beifügung der „entsprechenden Belege“ ist aber dem Antragsteller in § 117 Abs. 2 ZPO (i. V. m. § 130 Abs. 1 PatG) ausdrücklich zur Pflicht gemacht. Der Vordruck verdeutlicht auch durch Hinweise, welche Angaben im Regelfall besonders zu belegen sind; der Nachweis über die Bruttoeinnahmen wird hierbei als notwendiger Beleg bezeichnet, der – was unbedingt zu beachten sei – beigefügt werden müsse (vgl. OLG Dresden, MDR 2010, 344). Zu den vom Anmelder angegebenen anderen Einnahmen von ca. … Euro monatlich hat er seiner Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse keinerlei Belege eingereicht. Soweit der Anmelder einen Steuerbescheid vom 15. Dezember 2004 vorgelegt hat, stellt dieser für die im ausgefüllten Formblatt angegeben Einnahmen weder dem Betrag nach noch für die betreffende Zeit einen Nachweis hierfür dar. Der Steuerbescheid ist für das Jahr 2002 ergangen und weist zudem ein Einkommen von … Euro aus, was ein monatliches Einkommen von … Euro und nicht nur von … Euro ergibt. Auch die eidesstattliche Versicherung des Anmelders vom 20. Januar 2006 kann weder als Beleg für seine angegebenen Einkünfte von lediglich … Euro herangezogen werden, da diese sich nicht zu Einkommenstatsachen, insbesondere nicht zu den angegebenen monatlichen Einnahmen von lediglich ca. … Euro, verhält. Die Bedürftigkeit des Anmelders ist auch keine gerichtskundige Tatsache, die nicht der Glaubhaftmachung bedarf, wie der Anmelder meint, jedenfalls nicht zum maßgeblichen Zeitpunkt im Februar 2006. Der neuerliche mit Schriftsatz vom 27. April 2015 gestellte Verfahrenskostenhilfeantrag führt – unabhängig davon, ob mit diesem sämtliche erforderlichen Erklärungen und Belege vorliegen – zu keiner anderen Beurteilung, da er jedenfalls erst über ein Jahr nach Ablauf der versäumten Frist eingereicht worden ist und damit nicht mehr die versäumte Handlung nachgeholt werden kann (§ 123 Abs. 2 Satz 4 PatG).
Die Teilungserklärung des Anmelders vom 27. April 2015 ist ersichtlich unwirksam, da sie nicht bis zum Ablauf der Beschwerdefrist und auch nicht innerhalb der Wiedereinsetzungfrist nach § 123 Abs. 2 PatG abgegeben worden ist.
Schließlich ist das Verfahren nicht nach dem Antrag des Anmelders auszusetzen. Die Voraussetzungen hierfür nach § 99 Abs. 1 PatG i. V. m. § 148 ZPO liegen nicht vor, ein anderes Verfahren ist nicht vorgreiflich für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren.
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung getroffen werden (§ 79 Abs. 2 Satz 2 PatG), auch soweit die Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr abgelehnt worden ist, da über die Wiedereinsetzung und die nachgeholte Handlung zusammen entschieden wird. An einen Antrag auf mündliche Verhandlung besteht keine gesetzlich Bindung (vgl. Schulte, PatG, 9. Aufl., § 123, Rn. 161 mit Rechtsprechungsnachweisen), auch war die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht nach § 78 Nr. 3 PatG erforderlich.
III.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss kann der am Beschwerdeverfahren Beteiligte das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass
1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich oder in elektronischer Form einzulegen.