OLG Frankfurt a.M.: Zur Frage der Vernichtung oder des Rückrufs eines patentverletzenden Produkts nach Ablauf des Patents

veröffentlicht am 31. März 2017

OLG Frankfurt a.M., Urteil vom 02.02.2017, Az. 6 U 260/11
§ 140a PatG

Das Urteil des OLG Frankfurt haben wir hier zusammengefasst (OLG Frankfurt – Vernichtung oder Rückruf nach Ablauf eines Patents) und den Volltext nachstehend für Sie wiedergegeben:


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Oberlandesgericht Frankfurt am Main

Urteil

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30.11.2011 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt a. M. teilweise abgeändert und unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung insgesamt wie folgt neu gefasst:

I.
Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs gemäß Ziff. I. 1. des Tenors des angefochtenen Urteils wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang sie die nachfolgend bezeichneten Handlungen, nämlich […].

III.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr durch die zu unter II. 1. bezeichneten, in der Zeit vom 24.11.2010 bis 15.01.2013 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

IV.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens haben die Klägerin 28 % und die Beklagte 72 % zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,- € abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 400.000,- € festgesetzt.

Gründe


I.
Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO). Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihre Klageabweisungsbegehren weiter. Nach Ablauf des Klagepatents am 15.1.2013 hat die Klägerin den Unterlassungsantrag in der Hauptsache für erledigt erklärt und die Rechnungslegungs- und Schadensersatzfeststellungsanträge auf die Zeit bis zum 15.1.2013 begrenzt. Die Beklagte hat der Teilerledigungserklärung widersprochen. Die Klägerin verfolgt die Klageansprüche nunmehr in der aus den nachfolgend wiedergegebenen Klageanträgen ersichtlichen Form weiter.

Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass der angegriffene Legekopf im Jahre 2006 von der Beklagten an die Stahlwerke Stadt1 geliefert worden ist.

Das Berufungsverfahren ist jeweils mit Zustimmung der Parteien zunächst bis zur Entscheidung des Bundespatentgerichts über die gegen das Klagepatent erhobene Nichtigkeitsklage (Urteil vom 25.6.2013 – 4 Ni 26/11 (EP); Bl. 1291 ff. d.A.) und sodann bis zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung (Urteil vom 8.12.2015 – X ZR 132/13; Bl. 1510 ff. d.A.) ausgesetzt worden.

Im Berufungsverfahren hat die Beklagte zunächst ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft. Zusätzlich hat sie sich auf ein betriebliches Vorbenutzungsrecht berufen und die Auffassung vertreten, die Klage sei hinsichtlich der nur noch ab dem 24.11.2010 geltend gemachten Folgeansprüche schon deswegen abzuweisen, weil die Klägerin keine Verletzungshandlung während dieses Zeitraums vorgetragen habe.

Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8.12.2015 ist sie der Auffassung, die darin vorgenommene Auslegung des Patentanspruchs 1 sei unzutreffend und für das Verletzungsverfahren nicht bindend. Bei richtiger Auslegung des Patentanspruchs 1 mache die angegriffene Ausführungsform von dessen Merkmalen keinen Gebrauch. Das Merkmal 4.2.1.1 der vom Bundesgerichtshof erstellten Merkmalsanalyse verlange – wie sich aus der Beschreibung ergebe – eine leichte Abnehmbarkeit des Troges vom Träger, die bei der von der Beklagten gelieferten Anlage nicht gegeben sei. Weiter erfordere der Begriff „Trog (50)“ im Merkmal 4.2.1 – da das Bezugszeichen „50“ auf einen gesamten Komplex bzw. eine Baugruppe verweise – Mittel, mit denen ein zuverlässiges Zentrieren und Stabilisieren der Hilfsführung am Legekopf erreicht werde; solche Mittel weise die angegriffene Ausführungsform nicht auf. Weiter bestreitet die Beklagte, dass die in erster Instanz von der Klägerin mit Schriftsatz vom 25.8.2011 vorgelegte und jetzt im Klageantrag in Bezug genommene Anlage K 23 den von der Beklagten an die Stahlwerke Stadt1 gelieferten Legekopf wiedergebe.

In der Senatsverhandlung vom 2.2.2017 hat der Beklagtenvertreter unter Vorlage eines Schreibens der A vom 31.1.2017 (Bl. 1797 d.A.) die fehlende Aktivlegitimation der Klägerin gerügt. Der Klägervertreter hat daraufhin ein Schreiben der A1 vom 19.8.2016 nebst beigefügter „Ermächtigung/Autorisation“ (Bl. 1798 d.A.) vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Beklagte wie folgt verurteilt wird:

I.-III. wie erkannt (Tenor zu I.-III.)

IV. Die Beklagte wird weiter verurteilt, die in der Bundesrepublik Deutschland in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz und/oder Eigentum befindlichen, unter II. 1. fallenden Legeköpfe auf eigene Kosten zu vernichten oder nach ihrer Wahl an einen von ihr zu benennenden Treuhänder zum Zwecke der Vernichtung auf ihre – der Beklagten – Kosten herauszugeben.

V.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, die oben unter II. 1. fallenden, seit dem 24.11.2010 in Verkehr gebrachten Erzeugnisse gegenüber den gewerblichen Abnehmern unter Hinweis auf den gerichtlich festgestellten patentverletzenden Zustand der Sache und mit der verbindlichen Zusage zurückzurufen, etwaige Entgelte zu erstatten sowie notwendige Verpackungs- und Transportkosten sowie mit der Rückgabe verbundene Zoll- und Lagerkosten zu übernehmen und die Erzeugnisse wieder an sich zu nehmen.

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung des erstinstanzlichen Vorbringens. Sie ist der Auffassung, die Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf stünden ihr ungeachtet des Ablaufs des Klagepatents zu.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die Ausführungen unter II. sowie die gewechselten Schriftsätze und deren Anlagen Bezug genommen.

II.
Die zulässige Berufung hat teilweise, nämlich hinsichtlich der in der Berufung weiterverfolgten Vernichtungs- und Rückrufansprüche (Klageanträge zu IV. und V.), Erfolg. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet, da der Klägerin die zuletzt weiterverfolgten Ansprüche auf Erledigungsfeststellung (Klageantrag zu I.), Rechnungslegung (Klageantrag zu II.) und Schadensersatzfeststellung (Klageantrag zu III.) zustehen.

1.
Der angegriffene, im Klageantrag zu II. wiedergegebene Legekopf macht vom Anspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch.

a)
Der Bundesgerichtshof hat im Urteil vom 8.12.2015 zum Gegenstand der durch Anspruch 1 des Klagepatents geschützten Erfindung unter Ziffer I. der Entscheidungsgründe folgendes ausgeführt:

„Das Streitpatent betrifft einen Drahtlegekopf, der als Bestandteil eines Drahtwalzwerks eingesetzt wird, um Draht in Spiralen, auch als Ringe bezeichnet, zu formen.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift stellt sich der Ablauf an der Auslaufseite eines Drahtwalzwerks wie folgt dar: Der Draht wird, nachdem er aus dem Fertigblock ausgetreten ist, abgekühlt und durchläuft dann die Nachwalzeinheit. Anschließend tritt er in den Legekopf ein, wo er in Ringe gelegt wird. Die Ringe werden während des Transports zum Nachformbehälter auf einem Förderband verschiedenen Wärmebehandlungen unterzogen und fallen am Ende des Bandes in einen Nachformbehälter, wo sie um einen senkrecht nach oben stehenden Dorn gestapelt werden.

Damit die Vorrichtung nicht blockiert werde und kostenträchtige Unterbrechungen des Produktionsprozesses vermieden werden könnten, sei es wichtig – so erläutert die Streitpatentschrift -, sicherzustellen, dass die Ringe auf dem Förderband eine einheitliche Form aufwiesen und ihr Durchmesser so bemessen sei, dass sie problemlos in den Nachformbehälter fielen, ohne an dessen Außenwänden oder Dorn hängen zu bleiben. Solange ein Segment des Drahtes im Walzwerk gerollt und ein anderes Segment durch den Legekopf geführt werde, blieben die Betriebsbedingungen im Wesentlichen konstant. In dieser Phase könnten gleichförmige Ringe durch Synchronisieren der Arbeitsgeschwindigkeit des Legekopfs mit der Geschwindigkeit, mit der der Draht aus dem Walzwerk trete, erzielt werden. Verlasse das Endstück eines Drahtsegments das Walzwerk, diene die Nachwalzeinheit dazu, die Betriebsbedingungen stabil zu halten. Bei mit hohen Geschwindigkeiten gewalzten Produkten von geringerem Durchmesser, die die Tendenz hätten, beim Austreten aus dem Fertigblock schneller zu werden, wirke die Nachwalzeinheit als Bremse, während sie bei mit niedrigeren Geschwindigkeiten gewalzten Produkten von größerem Durchmesser dafür sorge, dass das Produkt nach dem Herausfallen aus dem Fertigblock weiter durch den Legekopf getrieben werde. Probleme träten jedoch auf, wenn das Endstück des Produkts die Nachwalzeinheit verlasse. In dieser Phase seien die Betriebsbedingungen nicht beständig, da die Bremswirkung der Nachwalzeinheit entfalle. Der Abstand zwischen der Nachwalzeinheit und dem Abgabeende des Legekopfs entspreche üblicherweise dem Umfang eines Ringes oder sei geringfügig größer. Aufgrund der relativ geringen Produktlänge neige das Endstück des Drahtes bei hohen Betriebsgeschwindigkeiten beim Verlassen der Nachwalzeinheit dazu, schneller zu laufen. Dadurch könne der letzte Ring Stauchungen erleiden und/oder sein Durchmesser könne größer ausfallen, was dazu führen könne, dass der Transport in den Nachformbehälter behindert werde. Wenn das vordere Drahtende aus dem Legekopf in Richtung Förderband austrete, seien die Betriebsbedingungen ebenfalls instabil mit der Folge, dass sich der erste Ring verformen und mit dem Dorn des Nachformbehälters verhaken könne.

2. Nach der Streitpatentschrift besteht eine Aufgabe des Streitpatents darin, den Legekopf mit einer Hilfsführung auszustatten, die bei Produkten von geringerem Durchmesser, die mit hohen Geschwindigkeiten gewalzt werden, dazu dienen soll, die Formgebung der Endstücke zu stabilisieren und zu verbessern. Die Streitpatentschrift bezeichnet es als weitere Aufgabe, die Hilfsführung des Legekopfs so auszugestalten, dass sie leicht abgenommen werden kann, wenn Produkte von größerem Durchmesser mit geringeren Geschwindigkeiten gewalzt werden sollen. Eine mit diesen beiden Aufgaben korrespondierende, weitere Aufgabe besteht nach der Streitpatentschrift schließlich darin, Mittel zum zuverlässigen Zentrieren und Stabilisieren der vorgeschlagenen Hilfsführung am Legekopf vorzusehen, die für eine gleichmäßige Drehbewegung sorgen.

a) Die Ausstattung des Legekopfs mit einer Hilfsführung ist bereits Teil der Lösung des technischen Problems, das der Erfindung zugrunde liegt und darf daher – wovon das Patentgericht zu Recht ausgegangen ist – bei dessen Definition nicht berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 22. Mai 1990 – X ZR 124/88, GRUR 1991, 811, 814 – Falzmaschine; Urteil vom 30. Juli 2009 – Xa ZR 22/06, GRUR 2010, 44 Rn. 14 – Dreinahtschlauchfolienbeutel).

b) Ebenso wenig kommt eine Formulierung der Aufgabe in der von der Klägerin befürworteten Form in Betracht. Die Klägerin ist der Auffassung, das technische Problem sei im Hinblick darauf, dass die erste Aufgabenstellung des Streitpatents nach dem Stand der Technik bereits gelöst sei, auf die zweite in der Streitpatentschrift genannte Aufgabe der leichten Abnehmbarkeit der Hilfsführung zu beschränken. Dem steht, abgesehen davon, dass auch diese Definition mit der Bezugnahme auf eine vorzusehende Hilfsführung ein Lösungselement enthielte, entgegen, dass es verfehlt ist, schon bei der Definition der Aufgabe die Frage zu prüfen, welche Anregungen dem Fachmann durch den Stand der Technik gegeben wurden. Vielmehr ist das technische Problem so allgemein und neutral zu formulieren, dass sich diese Frage ausschließlich in dem Zusammenhang stellt, in dem sie relevant ist, nämlich bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit (BGH, Urteil vom 13. Januar 2015 – X ZR 41/13, GRUR 2015, 190 Rn. 17 – Quetiapin).

c) Das dem Streitpatent zugrundeliegende Problem ist daher mit dem Patentgericht allgemeiner darin zu sehen, sicherzustellen, dass auch dann, wenn die Betriebsbedingungen, wie etwa beim Austritt des hinteren Drahtendes aus der Nachwalzeinheit oder beim Austritt des vorderen Drahtendes aus dem Legekopf, nicht stabil sind, die Ringe gleichmäßig geformt werden, um so Beeinträchtigungen im Arbeitsablauf oder Stillstandszeiten zu vermeiden.

3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in Patentanspruch 1 einen Legekopf vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Gliederungspunkte des Patentgerichts in eckigen Klammern):

1. Legekopf (18) zum Formen eines sich axial bewegenden, langgestreckten Produktes in eine Serie von Ringen (24) [1].

2. Der Legekopf (18) weist auf

2.1 einen langgestreckten hülsenförmigen Träger (36) [2],

2.2 Mittel zum Rotieren des Trägers um seine Längsachse [3],

2.3 ein Rohr (46) [4], das drehfest vom Träger getragen ist [4.1], und

2.4 Führungsmittel [5; teilweise].

3. Das Rohr (46) weist auf

3.1 ein Einlassende (46a) [4.2], das

3.1.1 mit der Achse fluchtet [4.2] und

3.1.2 dazu dient, das Produkt aufzunehmen [4.2],

3.2 ein Auslassende,

3.2.1 das derart angeordnet ist, dass es um die Achse umläuft [4.3.2], und

3.2.2 von welchem aus das Produkt in Gestalt einer kontinuierlichen Serie von Ringen abgegeben wird [4.4], sowie

3.3 ein Zwischenteil (46b) [4.3],

3.3.1 das eine gekrümmte Führungsbahn bildet [4.3.1], die vom Einlassende zum Auslassende führt [4.3.1.1].

4. Die Führungsmittel

4.1 kommunizieren mit dem Auslassende des Rohrs, um eine schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren [5], und

4.2 umfassen

4.2.1 einen radial nach außen weisenden Trog (50) [5.1], der

4.2.1.1 abnehmbar an den Träger (36) drehfest angeschlossen ist [5.1.1 und 5.1.2],

4.2.2 einen zylindrischen Schirm (52) [5.2], der

4.2.2.1 den Trog umgibt [5.2.1] und

4.2.2.2 mit dem Trog zusammenarbeitet, um eine radial und axial begrenzte, schraubenlinien-förmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren [5.3].

4. Zum Verständnis der für die technische Lehre ausschlaggebenden Merkmalsgruppe 4 sind folgende Bemerkungen veranlasst:

a) Nach Merkmal 4.1 kommunizieren die Führungsmittel mit dem Auslassende des Rohrs, um eine schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn zu definieren, die nach Merkmal 3.3.1 gekrümmt ist und vom Zwischenteil des Rohrs gebildet wird. Sie umfassen nach der Merkmalsgruppe 4.2 des Patentanspruchs 1 einen – dort mit dem Bezugszeichen 50 bezeichneten – radial nach außen weisenden Trog (Merkmal 4.2.1) und einen – mit dem Bezugszeichen 52 bezeichneten – zylindrischen Schirm (Merkmal 4.2.2). Entsprechende Erläuterungen finden sich in der Beschreibung des Streitpatents (Sp. 3 Z. 5-10), allerdings ohne Nennung von Bezugszeichen. In der Beschreibung einer bevorzugten Ausführungsform heißt es demgegenüber, die Verlängerung der gekrümmten Führungsbahn werde durch innere und äußere Komponenten definiert, die in der Regel mit den Bezugszeichen 50 und 52 gekennzeichnet seien (Sp. 4 Z. 25-27). Die „äußere Komponente“ (outer component) der Führungsbahnverlängerung – so erläutert die Streitpatentschrift – umfasse (comprises) einen zylindrischen Schirm, an dem ein Außenzahnkranz befestigt sei, der von einem Lager mit einem größeren Durchmesser drehbar gehalten werde (Sp. 4 Z. 31-38). Die Beschreibung verwendet an dieser Stelle für den zylindrischen Schirm das Bezugszeichen 54 (Sp. 4 Z. 32). Die „innere Komponente“ (inner component) der Führungsbahnverlängerung – so führt die Streitpatentschrift weiter aus – umfasse (comprises) einen schraubenförmigen Trog (helical trough), dessen offene Seite radial nach außen in Richtung des ihn umgebenden zylindrischen Schirms weise. Der Trog sei auf der Kante einer spiralförmigen Rippe angebracht, in deren zentraler Öffnung eine Nabeneinheit befestigt sei (Sp. 4 Z. 40-45). Für den Begriff „Trog“ verwendet die Beschreibung in diesem Zusammenhang das Bezugszeichen 68 (Sp. 4 Z. 41).

b) Vor diesem Hintergrund sind die Parteien unterschiedlicher Meinung darüber, was unter einem Trog nach Merkmal 4.2.1 zu verstehen ist.

aa) Die Beklagte ist der Auffassung, mit der Bezeichnung „Trog“ sei nur das in den Figuren 3 bis 7 mit dem Bezugszeichen 68 gekennzeichnete rinnenförmige Element mit dem schraubenlinienförmigen Verlauf gemeint.

bb) Demgegenüber ist die Klägerin der Ansicht, die Bezeichnung „Trog“ stelle sowohl nach Patentanspruch 1 als auch nach der Beschreibung und den Figuren des Streitpatents eine Umschreibung des gesamten Bauteils der mit dem Bezugszeichen 50 gekennzeichneten inneren Komponente dar, so dass die Begriffe „Trog“ und „innere Komponente“ als Synonyme anzusehen seien. Die innere Komponente weise ein umlaufendes Gebilde mit einem schraubenförmigen Verlauf auf. Aus der Unterscheidung, die Patentanspruch 1 insoweit vornehme, als im Oberbegriff von Führungsmitteln und im kennzeichnenden Teil von einem Trog die Rede sei, ergebe sich, dass mit dem Ausdruck „Trog“ der ganze in den Figuren 3, 6 und 7 dargestellte Komplex gemeint sei. Der Begriff „Trog“ bezeichne daher nicht ein konkretes Führungsmittel, sondern umfasse vielmehr die Führungsmittel des Legekopfs, die folglich von irgendeiner beliebigen Form sein könnten.

cc) Der von der Klägerin befürworteten Auslegung steht bereits der Wortlaut von Patentanspruch 1 entgegen. Dieser sowie die entsprechenden Erläuterungen in der Beschreibung sprechen für ein Verständnis dahin, dass mit dem Begriff „Trog“ lediglich das in den Figuren 3, 5, 6 und 7 mit dem Bezugszeichen 68 bezeichnete Element gemeint ist, wobei eine Übersetzung der englischen Bezeichnung „trough“ mit „Rinne“ gegenüber der in der Streitpatentschrift gewählten Übersetzung mit „Trog“ treffender erscheint. Nach dem Wortlaut von Patentanspruch 1 und den Ausführungen in Sp. 3 Z. 5-6 umfassen die Führungsmittel (guide means) neben einem zylindrischen Schirm auch einen Trog (trough). Das Begriffspaar „innere Komponente“ und „äußere Komponente“ ist in Patentanspruch 1 nicht enthalten, sondern wird erst in Patentanspruch 5 erwähnt. Bei der danach beanspruchten Gestaltung, die sich von Patentanspruch 1 dadurch unterscheidet, dass nach Anspruch 5 Trog und Schirm nur in eine Richtung drehbar sind, während Anspruch 1 die Drehbarkeit des Schirms auch in entgegengesetzter Richtung einschließt, ist das Führungsmittel in innere und äußere Komponenten unterteilt, wobei die innere Komponente nach der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsform des Streitpatents wiederum einen Trog umfasst (Sp. 3 Z. 22 ff.; Sp. 4 Z. 26-27 und 40). Der Begriff „umfassen“ indiziert, dass die Führungsmittel außer den ausdrücklich genannten noch weitere Bestandteile aufweisen können, so dass der Trog Teil der Führungsmittel ist. Entsprechendes gilt für die innere Komponente. Die Hierarchie der verwendeten Begriffe stellt sich demnach wie folgt dar: Der Ausdruck „Führungsmittel“ wird in der Streitpatentschrift sowohl in den Patentansprüchen als auch in der Beschreibung als Oberbegriff verwendet. Das in Patenanspruch 5 genannte Begriffspaar „innere Komponente“ und „äußere Komponente“ stellt im Verhältnis zu dem Oberbegriff „Führungsmittel“ eine Unterkategorie dar, die allerdings nicht zwingend vorhanden sein muss, weil sie im Hauptanspruch 1 nicht als solche genannt ist und lediglich eine bevorzugte Ausführungsform betrifft. Der Ausdruck „Trog“ bezeichnet jeweils nur einen Bestandteil der Führungsmittel im Allgemeinen oder – im Fall der bevorzugten Ausführungsform – der inneren Komponente. Konkret bedeutet dies, dass mit dem Begriff „Trog“ in den Figuren 3, 5, 6 und 7 lediglich das mit dem Bezugszeichen 68 bezeichnete schraubenlinien- und rinnenförmige Element gemeint sein kann. Dass in Patentanspruch 1 für den Trog das Bezugszeichen 50 verwendet wird, das in der Beschreibung mit der inneren Komponente einem umfassenderen Teil der Führungsmittel zugeordnet ist, ändert hieran nichts. Nach Merkmal 4.2.1 weist der Trog radial nach außen. Diese Formulierung ergibt nur in Bezug auf ein Bauteil einen Sinn, das eine Öffnung nach einer Richtung aufweist, wie dies bei einem Trog typischerweise und insbesondere auch bei dem in den Figuren 3 bis 7 mit dem Bezugszeichen 68 gekennzeichneten, besser als Rinne bezeichneten Element der Fall ist.

c) Die Parteien streiten ferner über die Auslegung des Merkmals 4.2.2.2, das in einem sachlichen Zusammenhang zu den Merkmalen 4.1 und 3.3.1 steht, die ebenfalls auf die vom Zwischenteil des Rohrs gebildete Führungsbahn Bezug nehmen.

aa) Das Patentgericht hat angenommen, im Hinblick darauf, dass die Führungsbahn des Legerohrs durch dessen Querschnitt und dessen gekrümmten bzw. schraubenlinienförmigen Verlauf gebildet werde, könne die Führungsbahnverlängerung gemäß Merkmal 4.2.2.2 nicht nur auf den schraubenlinienförmigen Verlauf der Führungsbahn bezogen sein, sondern umfasse auch die Führungsmittel Trog und Schirm, die nicht nur im schraubenförmigen Verlauf, sondern auch im Querschnitt dem Legerohr entsprechen müssten. In der Beschreibung des Streitpatents sei ausgeführt, dass der Trog mit dem Schirm derart zusammenarbeite, dass eine schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn geschaffen werde, die durch das Legerohr gebildet werde. Auch aus den Figuren 3 und 7 des Streitpatents, die das Rohr, den Draht und den Trog zeigten, ergebe sich, dass Trog und Schirm gemeinsam den auslaufenden Draht so einschließen sollten, dass damit durch den Trog eine Verlängerung derjenigen Führungsbahn geschaffen werde, die vor dem Trog durch das Legerohr gebildet worden sei. Entgegen der Auffassung der Klägerin bedürfe es dabei keiner exakten, sondern lediglich einer qualitativen Nachbildung der Form der kreisrunden Führungsbahn des Legerohrs, da auch hierdurch erreicht werde, dass die Führungsenden des Drahtes sowohl in radialer als auch in axialer Richtung eingeschlossen seien, um jegliche Verformungen der Ringe am Ende eines Drahtabschnitts zu vermeiden.

bb) Dies hält den Angriffen der Berufung stand.

(1) Die Klägerin macht geltend, dass weder in Patentanspruch 1 noch in der Beschreibung des Streitpatents auf den Querschnitt des Rohrs Bezug genommen werde. Auf diesen könne es schon deshalb nicht ankommen, weil nach der Beschreibung des Streitpatents bei Drähten größerer Durchmesser, die mit geringeren Geschwindigkeiten gewalzt würden, eine zusätzliche Führung über jene hinaus, die das Legerohr bringe, nicht erforderlich sei oder sogar nachteilig sein könne und somit bei größeren Querschnitten des Walzdrahts überhaupt auf den Trog verzichtet werden könne. Ebenso wenig sei die Auslegung des Patentgerichts, wonach der Trog eine den Draht vollständig umschließende Führungsbahn im Sinne eines Rohrs nachbilde und den Draht somit eng umschlungen führe, durch Patentanspruch 1 oder die Beschreibung gedeckt. Ein „Einschließen“ des Drahtes sei schon mit dem Begriff „Trog“ nicht in Einklang zu bringen, da ein Trog stets nach einer Seite hin offen sei. Wenn eine den Draht völlig umschließende Führungsbahn gewollt gewesen wäre, wäre es einfacher gewesen, das Legerohr in der Form des im Stand der Technik bewährten Schneckengangs fortzuführen, statt einen Trog vorzusehen.

(2) Dass dann, wenn Drähte von größerem Durchmesser mit geringerer Geschwindigkeit gewalzt werden können, auf den Trog verzichtet werden kann, weil das Streitpatent in diesen Fällen eine Führung durch das Legerohr für ausreichend erachtet, lässt entgegen der Auffassung der Klägerin nicht den Schluss zu, dass es insgesamt nicht darauf ankomme, ob der Trog und der zylindrische Schirm die durch das Zwischenteil des Rohrs gebildete Führungsbahn nicht nur hinsichtlich ihres Verlaufs, sondern auch in Bezug auf den Querschnitt des Rohrs nachbildeten. Merkmal 4.2.2.2 betrifft gerade den Fall, dass neben dem zylindrischen Schirm auch der Trog zum Einsatz kommt. Das Patentgericht hat für diesen Fall zutreffend angenommen, dass die Führungsmittel Trog und zylindrischer Schirm die vom Legerohr vorgezeichnete Führungsbahn nicht nur hinsichtlich ihres Verlaufs, sondern auch hinsichtlich ihres durch das Rohr vorgegebenen Durchmessers verlängern. In der Beschreibung heißt es in diesem Zusammenhang, das Aufnahmeende des Trogs sei so angeordnet, dass es unmittelbar an das Auslassende des Rohrs angrenze und mit diesem kommuniziere; so wirke der Trog mit dem Schirm zusammen, um eine schraubenförmige Verlängerung der vom Legerohr bestimmten Führungsbahn zu schaffen (Sp. 5 Z. 23-27). Die Endstücke sollen dadurch sowohl radial als auch axial in einer weiteren, um die Längsachse des Trägers laufenden Bahn eingegrenzt (confined) werden. Damit solle der Tendenz des Produkts zu knicken entgegengewirkt und gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass auch der letzte Ring eines jeden Drahtsegments die gleiche kreisrunde Form erhält wie die vorangegangenen Ringe (Sp. 5 Z. 31-36). Die Streitpatentschrift enthält keine ausdrücklichen Angaben dazu, durch welche Größe die axiale und radiale Begrenzung der Verlängerung der Führungsbahn bestimmt werden sollen. Aus Merkmal 4.2.2.2 lässt sich zwar entnehmen, dass die radiale und axiale Begrenzung durch den Trog und den zylindrischen Schirm vorgenommen werden. Aus der Anordnung dieser beiden Bauteile im Verhältnis zueinander ergibt sich ferner, dass die radiale Begrenzung der Verlängerung der Führungsbahn nach innen durch den Boden des Trogs und nach außen durch den Schirm erfolgt, während die axiale Begrenzung durch die Seitenwände des Trogs sichergestellt wird. Explizite Angaben dazu, welche Breite und Tiefe der Trog haben soll, sind in Merkmal 4.2.2.2 jedoch nicht enthalten. Allerdings nimmt Merkmal 4.2.2.2 auf die Führungsbahn Bezug. Diese wird nach Merkmal 3.3.1 durch das Zwischenteil des Rohrs, das das Einlassende mit dem Auslassende verbindet, gebildet. Die Führungsbahn wird damit auch durch den Durchmesser des Rohrs bestimmt. Damit ergibt sich aus Merkmal 4.2.2.2, dass die Rinne des Trogs so gestaltet sein muss, dass sie bei Abdeckung durch den zylindrischen Schirm in etwa dem Umfang des Rohrs entspricht. Eine exakte Übereinstimmung mit der Form des Rohrs ist nicht zu erreichen, wenn der Schirm, wie in den Darstellungen der Figuren 3 und 7 auf der dem Trog zugewandten Seite keine Krümmung aufweist. Vor diesem Hintergrund ist es auch nicht zu beanstanden, wenn das Patentgericht angenommen hat, dass es keiner exakten Nachbildung der kreisrunden Führungsbahn des Legerohrs bedürfe, sondern eine qualitative Nachbildung ausreiche.

Soweit das Patentgericht bei der Prüfung der Patentfähigkeit ausführt, dass ein im Stand der Technik offenbartes Bauteil, anders als das Streitpatent keine den Draht vollständig umschließende Führungsbahn im Sinne eines Rohrs nachbilden könne, oder den Draht nicht wie beim Streitpatent eng umschlungen führe, hat es entgegen der Auffassung der Klägerin Patentanspruch 1 nicht entgegen seinem Wortlaut ausgelegt. Es hat insbesondere nicht angenommen, wie die Klägerin behauptet, dass der Draht allein durch den Trog vollständig eingeschlossen werde, sondern hat lediglich festgestellt, dass die entsprechenden Bauteile im Stand der Technik keine Verlängerung der Führungsbahn im Sinne des Streitpatents offenbaren.

d) Schließlich ist zwischen den Parteien streitig, ob Merkmal 4.2.2.2 dahin zu verstehen sei, dass die durch das Legerohr vorgegebene Führungsbahn einen vollständigen Umlauf der schraubenlinienförmigen Verlängerung um die Längsachse des Trägers voraussetze. Dies ist zu verneinen. Erst Patentanspruch 2 verlangt, dass die schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn wenigstens einen vollständigen Umlauf um die Längsachse des Trägers definiert. Daraus ergibt sich, dass Patentanspruch 1 auch Gestaltungen umfasst, bei denen die Führungsbahn nicht um einen vollständigen Umlauf verlängert wird. Gestützt wird diese Auslegung auch durch die Beschreibung, wo es heißt, dass die Verlängerung vorzugsweise wenigstens einen vollständigen Umlauf durch die Drehachse des Legerohrs definiert (Sp. 3 Z. 17-19).“

Der erkennende Senat schließt sich diesen überzeugenden Ausführungen an. Auch das Vorbringen der Beklagten nach Erlass des genannten Urteils enthält keine neuen Gesichtspunkte, mit denen sich der Bundesgerichtshof nicht bereits in der Sache befasst hätte. Ohne Erfolg wiederholt die Beklagte insbesondere ihre bereits im Nichtigkeitsverfahren vertretene Auffassung, der mit dem Bezugszeichen 50 versehene „Trog“ umfasse die gesamte Baugruppe, mit der ein zuverlässiges Zentrieren und Stabilisieren der Hilfsführung am Legekopf erreicht werde. Der Bundesgerichtshof hat dargelegt, dass und warum dieser Auffassung nicht zu folgen ist und mit dem Begriff „Trog“ – ungeachtet des verwendeten Bezugszeichens 50 – tatsächlich allein das mit dem Bezugszeichen 68 bezeichnete Element gemeint ist (a.a.O. Rdz. 17).

b)
Danach erfüllt der angegriffene, von der Beklagten an die Stahlwerke Stadt1 gelieferten Legekopf alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents.

aa)
Im vorliegenden Berufungsverfahren ist davon auszugehen, dass die – nunmehr im Klageantrag zu II. in Bezug genommenen – Lichtbilder in Anlage K 23 sowie auf Seite 10 des Schriftsatzes des Klägervertreters vom 21.10.2011 (Bl. 279 d.A.) den von der Beklagten im Jahre 2006 an die Stahlwerke Stadt1 gelieferten Legekopf wiedergeben. Soweit die Beklagte dies bestreitet, ist dieses Bestreiten unsubstantiiert und damit unbeachtlich. Unstreitig ist jedenfalls, dass die Beklagte einen Legekopf an die Stahlwerke Saar geliefert hat. Wenn die Beklagte daher geltend machen will, dass die Lichtbilder gemäß Anlage K 23 diesen von der Beklagten gelieferten Legekopf nicht oder nicht zutreffend wiedergeben, hätte sie dartun müssen, inwieweit der von ihr gelieferte Legekopf mit dem in den Lichtbildern wiedergegebenen Erzeugnis nicht übereinstimmen soll. Dies gilt insbesondere, nachdem die Lichtbilder gemäß Anlage K 23 im Wesentlichen denjenigen der Anlage K 12 entsprechen, die unstreitig den von der Beklagten gelieferten Legekopf zeigen. Die Beklagte hat selbst vorgetragen, dass sich aus der Anlage K 23 keine weiteren Erkenntnisse ergäben als aus den Darstellungen gemäß Anlagen K 10, K 11 und K 12 (Schriftsatz vom 19.9.2011, Rdz. 63; Bl. 228 d.A.).

bb)
Ohne Erfolg beruft sich die Beklagte hinsichtlich der Anlagen, die die Klägerin zur Darlegung der angegriffenen Ausführungsform vorgelegt hat, auf ein „Verwertungsverbot“; zur Begründung wird auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil (S. 22 f.) Bezug genommen. Im Übrigen kann der Lieferant einer patentverletzenden Vorrichtung einer Verurteilung wegen Patentverletzung nicht dadurch entgehen, dass er seinem Abnehmer die Verpflichtung des Stillschweigens über diese Lieferung auferlegt.

c)
Die im Klageantrag zu II. in Bezug genommenen Lichtbilder der angegriffenen Ausführungsform zeigen alle Merkmale des Anspruchs 1 des Klagepatents, insbesondere – als „innere Führungskomponente“ – die schraubenlinienförmige Verlängerung der Führungsbahn (Merkmal 4.1 der vom Bundesgerichtshof erstellten Merkmalsanalyse) mit trogförmigem Rand (Merkmal 4.2.1) sowie den zylindrischen Schirm (Merkmal 4.2.2), der – als „äußere Führungskomponente“ – den Trog umgibt (Merkmal 4.2.2.1) und zusammen mit dem Trog die Führungsverlängerung herbeiführt (Merkmal 4.2.2.2). Dabei ist davon auszugehen, dass der auf dem Foto Nr. 2 der Anlage K 23 erkennbare Schirm im zusammengebauten Zustand der Vorrichtung den Trog vollständig umgibt (vgl. Foto Nr. 1).

Die Tatsache, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der Draht nach Verlassen der Austrittsöffnung zunächst in einen torusförmigen Kanal eintritt (Foto Nr. 4), ändert an der Verwirklichung der Merkmale des Patentanspruchs 1 nichts. Zwar erfüllt in diesem Bereich der Schirm nicht die Aufgabe einer äußeren Führungskomponente, weil der Draht hier seine Führung allein durch den torusförmigen Kanal erhält. Wie vom Landgericht zutreffend dargestellt (Urteil S. 20, 21), endet dieser Kanal jedoch nach einer kurzen Distanz, die etwa 20 Grad des Gesamtumfangs beträgt. Im Anschluss daran wirkt der Schild über etwa 240 Grad des Gesamtumfangs als äußere Führungskomponente. Dass infolgedessen der Schirm seine Führungsfunktion nicht über einen vollständigen Umlauf um die Achse ausübt, ist unschädlich, weil der Anspruch 1 dies – im Gegensatz zum abhängigen Unteranspruch 2 – nicht verlangt (vgl. BGH a.a.O., Rdz. 24).

Ohne Erfolg wiederholt die Beklagte ihren Einwand, bei der angegriffenen Ausführungsform sorge bereits der kurze torusförmige Kanal für eine hinreichende Stabilisierung des Drahtendes, so dass der Schirm tatsächlich keinerlei Führungsfunktion mehr entfalte. Dem hat das Landgericht bereits überzeugend entgegengesetzt (Urteil S. 21), dass die Zentrifugalkräfte auf das Drahtende auch nach dessen Austritt aus dem verhältnismäßig kurzen Kanal fortwirken und der Schirm demzufolge auch eine Führungsfunktion haben wird.

Schließlich hat das Landgericht auch mit Recht angenommen, dass bei der angegriffenen Ausführungsform der – als „innere Führungskomponente“ dienende – Trog (Merkmal 4.2.1) im Sinne des Merkmals 4.2.1.1 „abnehmbar“ an den Träger angeschlossen ist. Das zum Abnehmen erforderliche Lösen von acht Schrauben reicht zur Verwirklichung dieses Merkmals aus. Demgegenüber stellt das Merkmal 4.2.1.1 entgegen der Auffassung der Beklagten keine Anforderungen an die besondere Leichtigkeit des Montage- und Demontagevorgangs. Dies folgt schon daraus, dass solche Mittel zur erleichterten Montage und Demontage erst Gegenstand der Unteransprüche 3 und 4 sind. Im Übrigen kommt der Abnehmbarkeit des Troges vom Träger für die Lösung des der Erfindung zugrunde liegenden technischen Problems (vgl. hierzu BGH a.a.O., Rdz. 10) ohnehin keine wesentliche Bedeutung zu, so dass erst recht kein Anlass besteht, dieses Merkmal über den Wortlaut des Anspruchs 1 hinaus einzuschränkend auszulegen.

2.
Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg auf ein betriebliches Vorbenutzungsrecht (§ 12 PatG) berufen.

Erforderlich hierzu wäre eine Benutzung des Erfindungsgegenstandes im Inland. Hierzu hat die in Italien ansässige Beklagte substantiiert nichts vorgetragen. Soweit sie sich in diesem Zusammenhang auf das als Anlage LS 9 vorgelegte Angebot eines Windungslegers an die Fa. Krupp Stahl berufen will (Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 4.2.2013, Seite 9; Bl. 904 d.A.), vermag dies eine Vorbenutzung im Inland schon deswegen nicht zu belegen, weil dieser Legekopf – abgebildet im Schriftsatz des Beklagtenvertreters vom 22.9.2011 (Bl. 251 f. d.A.) – keinen zylindrischen Schirm gemäß Merkmal 4.2.2 aufweist.

3.
Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Klageansprüche aktivlegitimiert. Auf die entsprechende Rüge des Beklagtenvertreters im Senatstermin vom 2.2.2017 hin hat der Klägervertreter durch Vorlage des Schreibens der A1 vom 19.6.2016 nebst beigefügter Ermächtigungserklärung belegt, dass die Klageansprüche zwar auf die A1 übertragen worden sind, diese die Klägerin – die gemäß § 265 ZPO ohnehin den Rechtsstreit weiterzuführen hat – jedoch ermächtigt hat, das Verfahren im eigenen Namen fortzusetzen und Leistung an sich zu verlangen. An der inhaltlichen Richtigkeit dieses Dokuments sind durchgreifende Zweifel weder von der Beklagten geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich. Das vom Beklagtenvertreter vorgelegte Schreiben der – ersichtlich zum Konzern der A1 gehörenden – A vom 31.1.2017, mit dem die Beklagte zur Unterbreitung eines Vergleichsangebots aufgefordert worden ist, lässt sich im Gegenteil mit der Übertragung der streitgegenständlichen Ansprüche auf die A1 und der von dieser zugunsten der Klägerin erteilten Einzugsermächtigung ohne Weiteres vereinbaren.

4.
Den von der Klägerin verfolgten Klageansprüchen stand bzw. steht nicht entgegen, dass die vorgetragene Verletzungshandlung bereits im Jahr 2006 begangen worden ist und die Klägerin erst am 24.11.2010 als Inhaberin des inzwischen abgelaufenen Klagepatents eingetragen worden ist. Die Klägerin war als eingetragene Inhaberin des Patents (§ 30 III PatG) nicht nur zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs (§ 139 I PatG), sondern ist auch weiterhin zur Geltendmachung von Schadensersatz- und Rechnungslegungsansprüchen berechtigt, die sich aus weiteren, seit dem 24.11.2010 bis zum Ablauf des Klagepatents am 15.3.2013 begangenen Verletzungshandlungen ergeben können.

5.
Die von der Beklagten erhobene Verjährungseinrede hat das Landgericht ebenfalls mit Recht als nicht durchgreifend erachtet. Zwar hat die Beklagte im Berufungsverfahren vorgetragen, dass die Lieferung des angegriffenen Legekopfes bereits im Jahre 2006 erfolgt sei. Dagegen hat die Beklagte nicht dargetan, dass die Klägerin von dieser Lieferung und deren Gegenstand länger als drei Jahre vor Klageerhebung Kenntnis hatte.

6.
Nachdem die Beklagte der von der Klägerin abgegebenen Teilerledigungserklärung hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs widersprochen hat, war auf den – prozessual zulässigen – Antrag der Klägerin hin festzustellen, dass sich der Rechtsstreit hinsichtlich des vom Landgericht zuerkannten Unterlassungsanspruchs durch den Ablauf des Klagepatents in der Hauptsache erledigt hat (Klageantrag und Tenor zu I.).

Der Beklagten ist hinsichtlich der Patentverletzung jedenfalls Fahrlässigkeit vorzuwerfen; sie ist daher der Klägerin gegenüber dem Grunde nach zum Ersatz derjenigen Schäden verpflichtet, die dieser durch Verletzungshandlungen zwischen dem 24.11.2010 und dem 15.3.2013 entstanden sind und noch entstehen werden. Da die Klägerin zur Bezifferung dieses Schadens derzeit nicht in der Lage ist, hat sie ein rechtliches Interesse (§ 256 I ZPO) an der Feststellung der Schadensersatzpflicht (Klageantrag und Tenor zu II.) und nach den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) einen Anspruch auf Erteilung der für die Schadensermittlung erforderlichen Auskünfte einschließlich der Rechnungslegung über die von der Beklagten erzielten Gewinne (Klageantrag und Tenor zu III.); gegen den Umfang der verlangten Auskünfte und Rechnungslegung sind Bedenken weder ersichtlich noch von der Beklagten erhoben worden.

7.
Die Berufung hat Erfolg, soweit sie sich gegen die Verurteilung zur Vernichtung (Tenor zu III. des angefochtenen Urteils und Klageantrag zu IV.) und zum Rückruf (Tenor zu IV. des angefochtenen Urteils und Klageantrag zu V.) richtet. Diese Ansprüche stehen der Klägerin nach dem inzwischen eingetretenen Ablauf des Klagepatents nicht mehr zu.

Allerdings wird in der patentrechtlichen Literatur die Auffassung vertreten, Erzeugnisse, die während des Wirkungszeitraums des Patents schutzrechtsverletzend hergestellt und in den Verkehr gebracht worden sind, könnten auch nach Ablauf des Schutzes noch Gegenstand der Vernichtungs- und Rückrufansprüche nach § 140a I, III PatG sein (vgl. Mes, Patentgesetz, 4. Aufl., Rdz. 17 zu § 140a m.w.N.; Kühnen GRUR 2009, 291 ff.), da diese Ansprüche nicht nur weitere Verletzungshandlungen verhindern sollten, sondern auch eine generalpräventive Funktion sowie eine Sanktionsfunktion hätten. Ob dem zuzustimmen ist, kann dahinstehen. Denn selbst wenn man auch nach Ablauf des Patentschutzes Vernichtungs- und Rückrufsansprüche noch für grundsätzlich möglich hält, bedarf jedenfalls der Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit nach § 140a IV PatG besonderer Beachtung (vgl. Mes a.a.O.). Danach können im vorliegenden Fall die weiterhin geltend gemachten Vernichtungs- und Rückrufansprüche jedenfalls nicht als verhältnismäßig angesehen werden.

Unter den Begriff der „Vernichtung“ i.S.v. § 140a PatG fällt jede Maßnahme, mit der das Erzeugnis in einen solchen Zustand versetzt wird, dass es nicht erneut unter Verletzung des Patents in den Verkehr gebracht werden kann (vgl. Mes a.a.O., Rdz. 8 zu § 140a unter Hinweis auf die Begründung zum Produktpirateriegesetz). Der Verletze hat daher grundsätzlich auch die Möglichkeit, zum Zwecke der Vernichtung einer – wie im vorliegenden Fall – aus mehreren Teilen bestehende patentverletzenden Vorrichtung diese Vorrichtung zu zerlegen und die dadurch erhaltenen Teile zu anderen, nicht patentverletzenden Zwecken weiterzuverwenden. Dies schließt nach Ablauf des Patentschutzes die Möglichkeit ein, die während der Wirkung des Patents patentverletzend hergestellte Vorrichtung zunächst zum Zwecke der Vernichtung zu zerlegen und sodann in gleicher Form – nicht mehr patentverletzend – wieder zusammenzufügen. Ebenso wenig wäre der Verletzer unter gleichen Voraussetzungen nach einem erfolgreichen Rückruf gehindert, das zurückgerufene, patentverletzend in den Verkehr gebrachte Erzeugnis sodann – nunmehr ohne Verletzung des abgelaufenen Patents – erneut anzubieten und zu vertreiben. Jedenfalls unter diesen Umständen erscheint die Anordnung der Vernichtung und des Rückrufs unverhältnismäßig, da sie den Verletzer lediglich mit einem gewissen Aufwand belasten würde, ohne jedoch die mit diesen Ansprüchen verfolgten Zwecke zu erfüllen zu können.

8.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 I ZPO.

Bei der Kostenquotelung war zunächst – ebenso wie bei der Streitwertfestsetzung für das Berufungsverfahren – zu berücksichtigen, dass die in erster Instanz zurückgenommenen Klageanträge, betreffend die Rechnungslegungs- und Schadensersatzfeststellungsansprüche für die Zeit bis zum 23.11.2010, im Hinblick auf die bereits bei Klageerhebung nur noch kurze Wirkungsdauer des Klagepatents einen nicht unerheblichen Teil des Gesamtstreitwerts ausgemacht haben, den der Senat mit 20 % bewertet. Die abgewiesenen Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf bewertet der Senat mit 10 % des Berufungsstreitwerts.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision (§ 543 II ZPO) sind nicht erfüllt.

Für die Anberaumung des vom Beklagtenvertreters erbetenen weiträumigen Verkündungstermins mit dem Ziel, weitere Vergleichsgespräche zwischen den Parteien führen zu können, bestand kein Anlass, nachdem nach dem unwidersprochenen Vortrag des Klägervertreters entsprechende Vergleichsbemühungen bereits seit längerem unternommen werden, bisher jedoch zu keinem Ergebnis geführt haben.

Vorinstanz:
LG Frankfurt a.M., Az. 2-6 O 498/10